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Gassen der Nacht

Gassen der Nacht

Titel: Gassen der Nacht
Autoren: Jason Dark
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mir und dieser Figur bestand schon immer. Ich kann mich bewegen, ich kann reden, aber ich werde als Figur nie in der Lage sein zu kämpfen. Ich werde auch nicht hingehen und mich Semerias zum zweitenmal stellen können, das ist nun deine Aufgabe. Nimm mein Schwert.«
    Noch immer lag meine Hand auf dem Griff. Er war nicht das erste Mal, daß ich mit diesem Schwert kämpfte. Ich gehörte zu den Menschen, die sie führen konnte, und wenn Kara mich dazu aufforderte, dann würde es auch in meiner Hand eine fürchterliche Waffe sein.
    »Nimm es, John!«
    Ich versuchte es. Dabei warf ich einen letzten Blick in ihr Gesicht. Noch immer wollte ich es kaum glauben, daß diese Person oder Figur tatsächlich sprechen konnte, aber was sollte es. Nachdenken und nach Gründen zu forschen hatte keinen Sinn. Sie hatte mir den Weg gezeigt, den ich gehen mußte.
    Ein kurzer Ruck reichte nicht aus. Ich mußte schon härter zupacken und stärker am Griff ziehen. Als ich das leise Schleifen hörte, wußte ich, daß ich gewonnen hatte.
    Der Rest war ein Kinderspiel.
    Die Waffe glitt aus der Scheide hervor. Ich drehte mich von der Figur weg, um mir die Klinge anschauen zu können, und stellte fest, daß sie nicht aus Gold bestand wie die ursprüngliche Waffe.
    Sie war nicht aus Metall ge fertigt worden, aus Holz aber auch nicht. Ich kannte das Material nicht und drehte mich wieder zu der Figur um. Kara lächelte.
    »Sorry, aber…«, begann ich.
    »Du zweifelst?«
    »Ja. Was ist es für ein Schwert? Ich vermisse die goldene Klinge. Es ist ziemlich schwer, aber…«
    »Es besteht aus Glas, John. Es ist so etwas wie ein gläsernes Schwert, wenn du verstehst.«
    »Davon sehe ich auch nichts.«
    »Wenn du den dünnen Lack abkratzt, wirst du sehen, daß es sich dabei um eine Waffe aus Glas handelt.«
    Für einen Moment überlegte ich und schaute dabei in die Augen der Figur. »Gut, Kara, gut, das alles nehme ich noch hin. Und mit dieser Waffe kann ich den Werwolf vernichten?«
    »Nein, das nicht.«
    »Wozu denn…«
    »Bitte«, sagte sie leise und beinahe flehend. »Nicht aufregen. Zunächst ist es wichtig, daß du den Spiegel zertrümmerst. Ihn mußt du zuerst zerstören. Du mußt diesem Monstrum den Rückweg abschneiden, John! Dann erst kannst du Semerias stellen, aber tritt nicht mit dem Schwert in der Hand zum Kampf gegen ihn an.«
    Ich überlegte. Der Lack auf der Klinge schimmerte tatsächlich wie stumpfes Gold. Mit dem Fingernagel kratzte ich etwas von der Schicht ab und sah darunter das Glas.
    »Noch etwas, Kara?«
    »Ja, du mußt dir Handschuhe besorgen, denn du brauchst eine große Spiegelscherbe.«
    Meine Augen weiteten sich. »Was soll ich damit?«
    Die Lippen der Figur bewegten sich so gut wie nicht. »Damit sollst du ihn töten.«
    »Mit der Scherbe?«
    »Ja.«
    Ich hörte mich selbst atmen. Kara war still geworden. Sie hatte genug geredet. Mir lagen noch eine Menge Fragen auf der Zunge, nur schaffte ich es nicht, sie zu formulieren.
    »Hast du alles verstanden, John?«
    »Ja.«
    »Dann geh jetzt. Suche die Handschuhe und zerstöre als erstes den Spiegel.«
    Ich nickte geistesabwesend. Mein Blick glitt über die übrigen Figuren hinweg. Meine Frage drängte sich wie von selbst auf, und ich stellte sie.
    »Diese anderen Figuren, Kara, reagieren sie ebenso wie du?«
    »Das ist möglich.«
    »Soll ich es probieren?«
    »Nein, laß es. Wecke keine schlafenden Raubtiere. Du hast deine Aufgabe, und du mußt sie lösen.«
    »Ja, das werde ich wohl«, sagte ich leise und drehte mich um. Ich schaute nicht mehr hin und bemerkte auch nicht, daß mir Kara ein feines Lächeln nachschickte.
    Ich dachte an ihre letzten Worte. Sie hatte mir geraten, keine schlafenden Raubtiere zu wecken. Es war sicherlich ein guter Ratschlag, denn ich mußte mich jetzt auf ein einziges Ziel konzentrieren: auf die Vernichtung des Werwolfes.
    Ich konnte Kara mehr als dankbar sein, daß sie mir den Tip gegeben hatte. Von allein hätte ich nie herausgefunden, wie man den Spiegel zerstören konnte, und daß Semerias nur mit einer Spiegelscherbe zu töten war. Handschuhe würde ich wohl unten im Laden finden, das hoffte ich jedenfalls.
    Bevor ich den Raum endgültig verließ, warf ich noch einen letzten Blick zurück.
    Die Figuren waren kaum mehr zu sehen. Sie verschwammen in der Düsternis, als würden sie allmählich von ihr aufgelöst werden. Der Rückweg fiel mir nicht gerade schwer, komisch war es für mich schon, die Stiege hinabzugehen. Der Klang der Tritte
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