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Garten des Lebens

Garten des Lebens

Titel: Garten des Lebens
Autoren: D Macomber
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gekommen war. Ja, der Tod ihres Vaters war ein Schock gewesen, aber ihre Trauer war eher … förmlich gewesen. Beinahe abstrakt. Als hätte sie die
Vorstellung
betrauert, ihren Vater zu verlieren – vielmehr als den Menschen selbst. Sie hatte sich nie gut mit ihm verstanden. In Susannahs Augen war ihr Vater despotisch, anmaßend und arrogant. Gleich nach ihrem achtzehnten Geburtstag war sie ausgezogen, weg von ihm.
    “Er war dein Vater, Susannah”, erinnerte Joe sie vorsichtig. “Ich weiß, dass ihr beiden euch nie nahestandet, aber er war dennoch dein Vater.” Joe nahm seine Brille ab und fing an, sie mit einem Zipfel seines Hemdes zu putzen. “Vielleicht ist es genau das, was dich jetzt so aus der Bahn wirft. Dass er tot ist und ihr eure Differenzen nicht mehr klären und beseitigen könnt.”
    Susannah schüttelte den Kopf. Die Beziehung zu ihrem Vater war schwierig gewesen. Kompliziert. Aber das hatte sie schon vor Jahren akzeptiert. “Es hat nichts mit ihm zu tun.”
    Joe sah aus, als würde er mit ihr darüber diskutieren wollen, doch sie ließ es nicht zu. “Ja, sein Tod kam plötzlich, aber er war dreiundachtzig Jahre alt, und niemand lebt für immer.” Tatsächlich hatten Vater und Tochter kaum noch miteinander gesprochen. Das schien ihn jedoch nicht gestört zu haben. Über die Jahre hatte Susannah immer wieder versucht, die Kluft, die zwischen ihnen bestand, zu überwinden, aber ihr Vater war offenbar nicht willens oder nicht imstande gewesen, ihre Beziehung zu vertiefen.
    Wann immer sie anrief oder zu Besuch kam, sprach Susannah eigentlich nur mit ihrer Mutter. George Leary war ein anständiger Großvater – das musste sie zugeben. Chrissie und Brian hielten große Stücke auf Susannahs Vater. Sie dagegen … Es war besser, nicht darüber nachzudenken, wie sehr er sich in ihr Leben eingemischt hatte, besonders, als sie noch ein Teenager war. Ja, sie bedauerte seinen plötzlichen Tod, aber sie weigerte sich zu glauben, dass dieser Verlust etwas mit ihrer derzeitigen Stimmung zu tun haben könnte. Wenn jemand schuld an ihrem Zustand war, dann Jake. Aber das konnte sie Joe, ihrem wundervollen Ehemann, natürlich nicht sagen.
Hey, Liebling, ich habe in letzter Zeit oft an einen anderen gedacht.
Das würde nicht gut gehen – so verständnisvoll Joe auch sein mochte.
    Ihr Ehemann betrachtete sie noch immer. “Auch wenn du mir nicht zustimmen willst”, sagte er langsam, “ich glaube schon, dass der Tod deines Vaters dich sehr mitgenommen hat. Erinnerst du dich nicht daran, wie es war, als meine Eltern starben?”
    Susannah erinnerte sich noch sehr gut daran und musste sich eingestehen, dass sie um ihren Schwiegervater mehr getrauert hatte als um den eigenen Vater. Als ihre Schwiegermutter dann zehn Monate später ebenfalls starb, waren Susannah und Joe zutiefst erschüttert gewesen. Für sie als Familie war das eine sehr schwierige Zeit. Susannah war eifersüchtig auf Joes enge Bindung zu seinen Eltern, zumal das Verhältnis zu ihren Eltern, besonders zu ihrem Vater, so distanziert war.
    “Sicher war es ein Schock, meinen Vater zu verlieren”, fuhr Susannah fort, “aber ich glaube nicht, dass die schlechte Stimmung …”
    “Depression”, warf Joe ein. “Eine ganz normale Depression.”
    “Ich leide nicht unter Depressionen.” Aber noch während sie ihm widersprach, wusste sie, dass Joe recht hatte.
    Ihr Ehemann hob die Augenbrauen. “Wenn du keine Depression hast, was ist es dann?”
    Joe war ein zuverlässiger, starker, selbstsicherer Mann. Ehrenhaft. Nach vierundzwanzig gemeinsamen Jahren hatten sie sich so aneinander gewöhnt, dass sie häufig im Restaurant das Gleiche bestellten, dieselben Bücher lasen oder dieselbe Partei wählten. Sie konnte nicht verstehen, wie sie neben Joe im selben Bett liegen konnte, Nacht für Nacht, und von einem anderen Mann träumte. Das passte gar nicht zu ihr. Nicht ein einziges Mal in ihrer gesamten Ehe hatte sie auch nur daran
gedacht
, einen anderen Mann anzuschauen.
    Es wäre verrückt, diese Ehe aufs Spiel zu setzen, um eine Highschool-Schwärmerei zu suchen. Die Geschichte mit Jake war lange vorbei. Sie hatte ihn nicht mehr gesehen, nicht mehr mit ihm gesprochen, seit sie siebzehn war, und das war … oh, mehr als dreiunddreißig Jahre her.
    Joe setzte die Brille wieder auf. “In den letzten sechs Monaten hattest du eine Menge Stress. Der Tod deines Vaters, dein fünfzigster Geburtstag, ein schwieriges Jahr im Job …”
    Er erzählte Susannah
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