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Garantiert wechselhaft

Garantiert wechselhaft

Titel: Garantiert wechselhaft
Autoren: Fanny Wagner , Carolin Birk
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rundgemacht hatte. Mich musste man nicht mal anschreien, um mich an die Arbeit zu kriegen. Und das mit dem Masochismus war glatt gelogen …
    Wenn ich mich mit dem Kochen beeilte, könnte ich zumindest heute noch anfangen und hätte nicht morgen früh den ganzen Stress.

    In der Küche breitete ich Auberginen, Paprika, Tomaten und Zwiebeln vor mir aus und wollte gerade mit dem Schnippeln anfangen, als mein Blick auf die Post fiel. Mit der freien Hand schob ich die Umschläge auseinander. Neben dem üblichen Werbemüll gab es ein Schreiben vom Finanzamt und ein weiteres amtlich aussehendes Kuvert.
    Ich wollte beide Briefe schon achtlos zur Seite legen, als mir das Wort Nachlassgericht ins Auge stach.
    Mein Herz setzte einen Schlag lang aus. Mit zitternden Händen öffnete ich den Umschlag und überflog die Zeilen. Dann ließ ich mich auf einen Küchenstuhl sinken. Das konnte doch nicht wahr sein! Ich kniff die Augen kurz zusammen und las den Brief ein zweites Mal. Silbe für Silbe, Wort für Wort.
    Nein, ich hatte mich nicht geirrt: Ich hatte geerbt!
    Wie ferngesteuert ging ich zur Anrichte zurück und begann das Gemüse klein zu schneiden.
    Ich hatte geerbt.
    Meine Gedanken machten Loopings, und erst als ich mir beinahe den rechten Zeigefinger weggesäbelt hatte, legte ich das Messer weg.
    Ich! Hatte! Geerbt!

    In meinem Zimmer musste irgendwo noch eine Schachtel mit alten Fotos sein. Ich wischte mir die Hände ab und machte mich auf die Suche. Sie stand ganz hinten, auf dem obersten Brett des Bücherregals. Nachdem ich den Staub vom Deckel gepustet hatte, nahm ich sie mit in die Küche und fing an zu wühlen.
    «Was machst du denn da?» Marie stand in der Tür und sah mich verwundert mit ihren großen, schwarz umrandeten Augen an. «Hast du einen Nostalgieanfall?»
    Ich grinste sie glücklich an. «Wir haben geerbt.»
    Meine Tochter setzte sich mir gegenüber. «Echt? So richtig viel Kohle?»
    Endlich fand ich, was ich suchte. Ich strich das alte Schwarz-Weiß-Bild glatt und schob es meiner Tochter hin. «Das ist mein Onkel Hubert. Er ist vor kurzem gestorben.»
    «Und der war knallreich?» Marie schaute skeptisch auf den hageren Mann im schlecht sitzenden Anzug, der ihr entgegenblickte.
    «Das nicht, aber wir haben sein Haus geerbt.» Ich gab ihr das nächste Foto. «Hier, das ist es.»
    Marie nahm es in die Hand und studierte es eingehend. «Ganz schön groß.»
    «Yep! Das ist ein alter Gasthof», sagte ich. «Mit Saal und Bühne und allem Pipapo. Als ich klein war, habe ich dort oft die Ferien verbracht.» Ich zeigte auf die Einfahrt neben dem Haus. «Hinter dem Haus ist ein Obstgarten mit uralten Apfelbäumen. Und eine Scheune, in der ich oft gespielt habe.»
    «Und wieso war ich noch nie dort?»
    «Ach, das ist eigentlich eine traurige Geschichte», sagte ich. «Hubert war der älteste Bruder von meinem Vater, von deinem Opa also, und sollte eigentlich das Lebensmittelgeschäft der Eltern übernehmen. Aber er hat sich sein Erbe auszahlen lassen und davon den Gasthof gekauft. Das gab viel böses Blut in der Familie. Zuerst haben sich alle noch zusammengerissen – und in dieser Zeit haben wir ihn manchmal besucht –, aber als der Tante-Emma-Laden wegen der Supermarktkonkurrenz pleiteging und Hubert sich weigerte, den anderen etwas von seinem Erbteil abzugeben, haben sie sich hoffnungslos zerstritten.»
    «So was Bescheuertes», fand meine Tochter. «Konnte er doch nichts dafür, dass die anderen ihr Geld verloren haben. Und warum hast ausgerechnet du jetzt den Gasthof geerbt?»
    Das hatte ich mich auch schon gefragt. «Anscheinend bin ich die nächste Angehörige.»
    «Und wo steht das Ganze?»
    «In Wiestal, in der Fränkischen Schweiz.» Als ich die Fragezeichen in Maries Gesicht sah, stellte ich die Pfeffermühle vor mich hin. «Das hier ist Berlin. Und hier liegen Nürnberg und München.» Zuckerstreuer und Salzfass wurden bayerisch. «Wenn man etwa sechzig Kilometer vor Nürnberg von der Autobahn abfährt und dann gut zwanzig Kilometer nach Westen fährt, kommt man genau nach Wiestal.» Ich markierte die Stelle mit einer Kirschtomate.
    Mein Großstadtgewächs sah mich skeptisch an. «Nürnberg ist voll Provinz», sagte sie. «Wenn man vorher noch rechts abbiegen muss, landet man ja im Freiluftmuseum! Verkaufst du den Schuppen?»
    «Auf gar keinen Fall!», sagte ich mit einer Heftigkeit, die mich selber erstaunte.
    «Was willst du dann damit machen?»
    Ich zuckte die Schulter. «Wir könnten
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