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Gangster auf der Gartenparty

Gangster auf der Gartenparty

Titel: Gangster auf der Gartenparty
Autoren: Stefan Wolf
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Versteck war gut gewählt. Büsche
umgaben die drei. Aber wenn sie ein paar Zweige zur Seite bogen, konnten sie
den morschen Holzzaun berühren.
    Er trennte die Grundstücke. Hier, wo
sie saßen, hatte der alte Eduard von Lommingen Hausrecht. Jenseits des Zauns
war Ottermann-Weg 23, die Adresse von Krätzkow und seiner italienischen
Freundin.
    „So eine Bude!“ flüsterte Gaby. „Ist
ziemlich vergammelt.“
    „Sieht aus wie ein Spukhaus“, erwiderte
Karl. „Ich glaube, dieser abbruchreife Palast ist 400 Jahre alt — jedenfalls
was die Grundmauern betrifft. Habe mich mal mit der Heimatkunde dieses Viertels
beschäftigt. Damals soll hier der städtische Scharfrichter gewohnt haben.
Kostenlos. Aber jeder ehrbare Bürger machte einen Bogen um das Haus. Man
brauchte Scharfrichter. Aber sie wurden nicht geachtet. Null Kontakte. Nie
Einladungen zu ‘ner Party, zum Straßenfest oder zu ‘ner Modenschau.“ Er
grinste. „Stelle ich mir düster vor — so ein Leben als Henker.“
    „Dann lieber arbeitslos. Ob Krätzkow
und seine Anna von der Vorgeschichte wissen?“
    „Bestimmt nicht. Außer mir — und jetzt
dir — weiß es nur der Heimatkundler, bei dem ich das nachgelesen habe. 100prozentig
belegt ist die Sache sowieso nicht, aber 99prozentig wahrscheinlich.“
    Eine herabschwebende Blüte, eine
winzige, berührte Gabys Stirn und sank nieder auf die langen dunklen Wimpern.
    Gaby pustete, und der rosarote
Fallschirm trudelte weiter.
    „Hoffentlich geht alles gut“, flüsterte
sie.
    Das betraf Tim und Klößchen bei ihrem
Unternehmen.
    „Es ist gut eingefädelt“, versuchte
Karl zu beruhigen.
    Hinter ihnen, aber gut zwei
Kugelstoßweiten entfernt, wurde eine Tür geöffnet. Die Angeln knarrten.
    Oskars Kopf ruckte hoch.
    Sofort legte Gaby ihm die Hand auf die
Schnauze.
    Das hieß: Keinen Mucks!
    Karl drehte sich um und spähte durch
hüfthohe Farne.
    Eduard von Lommingen trat aus dem
Häuschen.
    Es war kleiner und mindestens 300 Jahre
jünger als das Spukhaus drüben. Vor Eduards Fenster blühten Geranien, und in
dem kleinen Küchengarten auf der Südseite gediehen fußballgroße Kürbisse.
    „Der Oldie ist es“, wisperte Karl.

    „Wäre dumm, wenn er uns sieht.“
    Oskar schniefte durch seine Hundenase.
Doch die Bienen summten ziemlich laut und übertönten ihn.
    Eduard von Lommingen war sicherlich 80
Jahre alt. Seine Haut erinnerte an einen braunen Ledermantel, der Wind und
Wetter getrotzt hat und nun bald zu den Altkleidern ausgemustert wird.
    Karl kannte den alten Edu, wie er ihn
nannte, flüchtig. Er gehörte demselben Schachklub an wie Professor Vierstein
und galt als hervorragender Spieler.
    Edu qualmte aus einer Großvater-Pfeife,
schlurfte zur anderen Seite des Gartens und trat an den Zaun.
    Dort schloß sich ein ähnliches Grundstück
an: verwildert, mit altem Baumbestand und vielen Büschen.
    Die beiden hörten, wie er zu jemandem
redete.
    „Tag, Lena“, sagte er mit heiserem Baß.
„Wieder ein richtiges Gurken- und Kürbiswetter heute. Auch die Petersilie
gedeiht. Wie geht’s dem Rheuma, meine Liebe?“
    „Danke, Eduard, ich fühle mich gut“,
antwortete eine helle Frauenstimme. „Und noch besser ginge es mir, wenn uns
dieser Renz in Frieden ließe.“
    „Jaja“, brummte Edu. „Renz, der Häuserkönig,
kennt kein Mitleid. Es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, was der mit
dir macht. Eine Schande! Aber wir wehren uns! Ich bin alt. Aber zum alten Eisen
gehöre ich noch lange nicht.“
    Gaby hörte nicht auf das, was Lena
erwiderte.
    Die Hintertür des Krätzkow-Spukhauses
zog alle Aufmerksamkeit auf sich.
    Anna Vareno kam ins Freie.
    Sie trug einen Mülleimer, umrundete die
Hausecke und schüttete den Abfall in eine Tonne.
    Sieht gar nicht aus wie die Braut eines
Räubers, dachte Gaby.
    Die Italienerin mochte Ende zwanzig
sein und hatte ein zartes Gesicht, auf dem ein ständiges Lächeln haftete. Aber
der Eindruck täuschte. Es lag am Schnitt ihres Mundes. Beide Mundwinkel waren
nach oben gezogen. Das prägte die Miene so freundlich. Daran änderte sich
nichts — auch wenn sie an einer Beerdigung teilnahm oder mit dem Hammer ihren
Daumen traf.
    „Schlampiges Weibsstück“, flüsterte
Karl. „Sie hat verschiedene Turnschuhe an, und das Haar ist ganz speckig.“
    Das mit den Turnschuhen fiel Gaby erst
jetzt auf. Der linke war blau — und Produkt einer deutschen Sportartikelfirma,
der rechte knallrot mit US-Schriftzeichen.
    Anna latschte ins Haus zurück.
    Im selben Moment
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