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Galgeninsel

Galgeninsel

Titel: Galgeninsel
Autoren: Jakob Maria Soedher
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zurückhaltend und setzte hinzu: »Haben Sie denn schon etwas erfahren können?«
    »Nein. Bis jetzt noch nicht. Die Fahndung läuft und wir denken, dass das Auto uns da weiterhelfen wird«, lautete Schielins Antwort. Dann fragte er erneut: »Von Seiten der Familie, von Freunden oder Bekannten hat sich bei uns noch niemand gemeldet«, und mit einem Lachen fügte er an, »… nur Sie scheinen Herrn Kandras zu vermissen!«
    »Mhm. Nun ja. Also, das mag Ihnen vielleicht ungewöhnlich erscheinen. Es ist aber schon zu erklären. Wir, also die Bank, sind mit Herrn Kandras seit längerer Zeit in verschiedene Projekte involviert. Sehr umfangreiche Geschichten. Wir hatten in der letzten Woche einige wichtige Termine vereinbart, zu denen Herr Kandras nicht erschienen ist, uns aber auch keine Absage hat zukommen lassen. Das ist nicht seine Art, verstehen Sie? Er ist sonst sehr zuverlässig, und da habe ich mir eben Gedanken gemacht. Als dann zum Wochenende hin immer noch keine Nachricht von ihm eingetroffen war, bin ich zur Polizei gegangen. Das war doch nicht falsch, oder?«
    Schielin schüttelte wohlwollend den Kopf. »Nein, Nein. Überhaupt nicht Herr Kehrenbroich. Überhaupt nicht. Ich frage das auch nur aus reiner Routine.«
    Kehrenbroich nickte. »Es gibt also noch keine Neuigkeiten, noch keine Information über den Verbleib von Herrn Kandras?«
    »Nein. Leider.«
    Nach einer kurzen Pause fragte Schielin: »Sie sagten vorhin unsere Bank. Wenn ich Sie fragen dürfte, wie kann man das verstehen. Ist die Faynbach & Partner im Besitz … Ihrer Familie?«
    Kehrenbroich missfiel diese Frage sichtlich. »Ich sagte unser Haus. Es mag sein, dass Sie das interessiert. Ich denke aber nicht, dass eine Auskunft über die Eigentümerstruktur unseres Hauses Ihnen helfen wird, die an Sie gestellte Aufgabe zu bewältigen.«
    Respekt!, dachte Schielin, und fragte sich, aus welchem Grund Kehrenbroich so verbissen und unprofessionell reagierte. So ein Verhalten offenbarte letztlich große Unsicherheit mit der Situation umzugehen.
    Schielin piekte noch mal. »Ich meine, wäre es vielleicht möglich, dass das Verschwinden von Raimund Kandras negative Folgen für die Faynbach & Partner haben könnte?«
    Kehrenbroich war nun sichtlich gereizt. »Wie kommen Sie denn darauf? Es wird doch wohl noch möglich sein, sich um einen Geschäftspartner zu sorgen!«
    »Ich komme nicht darauf, Herr Kehrenbroich. Es war nur eine Frage. Die an mich gestellte Aufgabe verlangt, solche Fragen zu stellen«, entgegnete Schielin ruhig.
    »Also in keinster Weise hat das für die Bank … negative Folgen«, lautete Kehrenbroichs schmale Antwort.
    »Haben Sie eigentlich Kontakt zur Familie von Herrn Kandras? Kennen Sie seine Frau, die Tochter?«
    Kehrenbroich blieb schmallippig »Ja. Man kennt sich.«
    Schielin hätte noch einige Fragen stellen wollen, entschied sich aber dafür, das vorerst sein zu lassen. Sollte Kandras wirklich nicht mehr auftauchen, würde er noch Gelegenheit haben, Herrn Direktor intensiver auf den Zahn zu fühlen. Doch dazu brauchte er ein wenig mehr Informationen über Faynbach & Partner. Er beendete er das Gespräch. Wenigstens lag die Bank günstig, um im Teeladen noch schnell einzukaufen und mit der Besitzerin ein Schwätzchen zu halten. Sie wusste über die Bank leider nichts zu erzählen. Die Leute gehörten nicht zur Kundschaft. Schielin fuhr zur Dienststelle zurück, wo er den unvermeidlichen Schreibkram erledigte und dann nach Hause fuhr.
    Er war froh, heute nicht mit dem Fahrrad gefahren zu sein, denn er fühlte sich montagsmüde. Zu Hause angekommen, traf er Marja mit den beiden Töchtern Lena und Laura in der Küche an. Es war unmöglich nicht zu registrieren, dass die Stimmung weit jenseits von harmonisch war. Und das hatte diesmal nichts mit ihm zu tun. Er hatte einen eher unpassenden Augenblick für sein Kommen erwischt. Sein Gruß wurde von allen artig, jedoch ohne jegliche Euphorie erwidert. Er ging zu Marja, die an der Arbeitsplatte stand, ihm halb den Rücken zugewandt hatte und schweigend Kartoffeln schälte. Er fasste sie mit beiden Händen an der Seite und hauchte ihr einen kurzen Begrüßungskuss auf die Wange. Schweigen. Lena, mit vierzehn Jahren die Jüngere, fischte sich den halb vollen Müllbeutel und brachte ihn raus. Gar nicht dumm, dachte Schielin. Die Verzweiflung musste aber schon groß sein, dass derartige Arbeiten ohne Aufforderung verrichtet wurden, nur um der Situation zu entkommen. Laura, die
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