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Gänseblümchen - Mein glückliches Leben mit meinem behinderten Sohn (retail)

Gänseblümchen - Mein glückliches Leben mit meinem behinderten Sohn (retail)

Titel: Gänseblümchen - Mein glückliches Leben mit meinem behinderten Sohn (retail)
Autoren: Gitta Becker
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seiner Wiege lag, musste mein Mann erst den Weg über das Bad nehmen.
    Im Laufe der Jahre wurde mein Mann aber zum perfekten Windelwechsler. Aller Anfang ist eben schwer.
    Überhaupt entwickelt man im Laufe der Zeit seine eigene Methode, um effektiv, vor allem aber rasend schnell zu arbeiten. Andreas war von Anfang an ein Flaschenkind, das heißt wir mussten nachts mit halb geschlossenen Augen warten, bis das Wasser für die Flasche heiß war, um dann festzustellen, dass sie nun wieder heruntergekühlt werden muss. Später, als wir ein wenig mehr Routine hatten, bereitete ich dann die Flaschen vor, stellte sie in den Flaschenwärmer und programmierte diesen auf die Zeit, in der Andreas meist wach wurde. Ich stand lauernd mit der warmen Flasche vor seinem Bettchen, um ihn beim ersten kleinen Wimmern rauszuholen und ihn zu füttern. Ich habe mir immer eingebildet, dass sein Gesichtsausdruck in diesen Momenten die verschiedensten Schattierungen zwischen verdutzt und überrascht annahm.
    Es dauert eine Weile, bis man seine eigene Arbeitsweise mit einem Baby hat, vor allem dann, wenn es das erste ist. Ich war in der glücklichen Lage, zwei Großmütter und Großväter zur Seite zu haben, die mir den Säugling ab und an mal abnahmen, ihn knuddelten und herzten, durch die Gegend trugen, wenn die Flasche wider Erwarten noch nicht fertig war, oder seinen Bauch kreisend streichelten, wenn Andreas Blähungen hatte. Niemand gab mir ungefragt Ratschläge – im Gegenteil, sie hielten sich immer an das, was ich vorgegeben hatte.
    Ich hatte einen hübschen Sohn. Durch den Kaiserschnitt hatte er einen runden, wohlgeformten Kopf. Ein wenig kompakt wirkte er schon, denn das Geburtsgewicht von 4150 g konnte sich ja nur auf 51 cm Körperlänge verteilen. Ich war bei meiner Geburt übrigens auch so schwer gewesen, mein Mann wog ebenfalls nicht viel weniger, und so hatte unser Sohn wohl kaum eine Chance, zierlich zu werden.
    Damals gab es in dem Krankenhaus, in dem ich entbunden hatte, eine Glasscheibe, durch die Besucher die Babys sehen konnten. Ungünstigerweise lag mein propperer Andreas zwischen zwei wirklich mageren Würmchen. Ich verstehe bis heute nicht, warum die Schwestern ihn genau da hingelegt haben. Eines schönen Tages entfuhr einem Besucher: „Boah, ist das ein Wonneproppen, der sieht ja aus, als sei er schon ein halbes Jahr alt!“
    Danke, das saß!
    Es war toll, mein Baby im Arm zu halten und es zu beobachten. Stundenlang, wenn es sein musste: seine Mimik, seine Grimassen, seinen Schlaf, sein Wachsein, einfach alles. Ich habe das bei all meinen Kindern genossen, ihren unverwechselbaren Geruch, das Zarte ihrer Haut, ihre willkürlichen und unwillkürlichen Bewegungen, das Nuckeln im Schlaf, das schiefe Lächeln. Einfach purer Genuss.
    Es gibt ruhige und unruhige Babys, Schreibabys, Spuckbabys, brave Babys, wache und verpennte Babys. So individuell wir als Erwachsene sind, so individuell sind wir schon als Baby.
    Andreas spuckte ab und zu, vorzugsweise auf Papas Hemd, schrie, wenn ihm etwas nicht passte, war ein aufgewecktes Baby. Hunger hatte er immer, er wurde schon zappelig wenn er seine Flasche nur sah. Gebadet und eingecremt zu werden, das liebte er, da er dabei von Kopf bis Fuß gestreichelt und massiert wurde. Er schlief früh durch, machte aber die Nacht zum Tag, als er Zähne bekam.
    Der Sommer war durchwachsen, aber man konnte sich draußen aufhalten. Andreas wurde getauft, mein Mann war wieder im Ausland unterwegs und ich mit dem Kinderwagen im Park, stolz wie eine Nobelpreisträgerin – was hätte mein Glück stören können? Was sollte schon passieren?
    Der Herbst kam und ging. Der Winter kam und mit ihm Andreas’ erstes Weihnachtsfest. Inzwischen krabbelte er, begierig, die Welt 30 cm über dem Boden zu erkunden.
    Während der Weihnachtszeit hatte mein Mann keinen Auslandseinsatz. Wir genossen die Adventszeit zu dritt, buken Plätzchen, schmückten unsere Wohnung weihnachtlich und kauften einen monströsen Weihnachtsbaum. Wir wollten den Heiligen Abend in unserer Wohnung in Erlangen feiern und dann zu unseren Familien nach Ludwigshafen fahren, um die zwei Feiertage dort zu verbringen.
    Andreas zeigte uns einmal mehr, dass es nicht mehr nur nach unserem Willen ging. Er kränkelte, hatte sich wohl einen Magen-Darm-Infekt eingefangen. In der Nacht zum Heiligen Abend erbrach er sich, am nächsten Tag hatte er Durchfall, schien aber alles in allem recht munter zu sein und sich bereits wieder zu erholen. Wir
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