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Gäbe es die Liebe nicht

Gäbe es die Liebe nicht

Titel: Gäbe es die Liebe nicht
Autoren: Nora Roberts
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schon oft dort geweint. Jedes Mal, wenn sie einen Patienten verlor. Dieses Mal weinte sie vor Erleichterung. Und aus Liebe. Beide Gefühle waren zu groß, um sie in Worte zu fassen. Nachdem sie sich das Gesicht ausgiebig mit kaltem Wasser gewaschen hatte, ging sie ans Telefon.
    „Hallo?“
    „Caine“, sagte sie.
    „Mom, wir wollten gerade anrufen. Ist er …“
    „Euer Vater will euch sehen“, unterbrach sie ihn mit gespielter Unbeschwertheit. „Er hat Angst, dass ihr seinen Scotch ausgetrunken habt.“
    Caine machte eine unflätige Bemerkung, aber sie wusste, dass er damit nur seine unermessliche Erleichterung verbarg. „Sag ihm, dass noch genug für ihn da ist. Bist du okay, Mom?“
    „Es geht mir großartig. Bitte Rena, mir ein paar Sachen zum Umziehen mitzubringen, ja?“
    „Wir sind in einer halben Stunde da.“
    „Wenn euer Vater genug Ruhe bekommt“, Anna drehte sich zu ihren Kindern um und warf ihnen einen auffordernden Blick zu, „kann er morgen früh die Intensivstation verlassen.“
    Daniel lud Justin leise zum Pokern ein und bat Caine noch leiser, ihm die im Arbeitszimmer versteckten Zigarren zu bringen. Anna tat, als hätte sie es nicht gehört, und scheuchte ihre versammelte Nachkommenschaft aus dem Zimmer. Sie wusste, wie sehr Besuche einen Kranken anstrengen konnten. Bis sie mit Daniels Zustand zufrieden war, würde sie die Kinder nur einzeln oder paarweise zu ihm lassen. Und nur kurz. Sie würde Daniel glauben lassen, dass es seine Idee war. Darin hatte sie jahrelange Übung.
    Sie strich ihm das Haar aus der Stirn. „So, ich habe noch andere Dinge zu erledigen. Die habe ich vernachlässigt, weil ich mich um dich kümmern musste. Überflüssigerweise“, fügte sie lächelnd hinzu.
    Jetzt, da er mit ihr allein war, brauchte er seine Schwäche nicht mehr zu verbergen. „Geh nicht, Anna. Ich weiß, du bist müde, aber ich möchte, dass du noch ein wenig bleibst.“
    „Na gut.“ Sie setzte sich zu ihm.
    „Wir haben gute Arbeit geleistet, was?“
    Er meinte ihre Kinder, das wusste sie. „Ja.“
    „Bereust du es?“
    Verwirrt schüttelte sie den Kopf. „Was für eine dumme Frage.“
    Er nahm ihre Hand. „Ich habe geträumt. Von dir. Von unserem ersten Walzer.“
    „Der Sommerball“, flüsterte sie. Seltsam, auch sie hatte in der Nacht davon geträumt. „Es war ein wunderschöner Abend.“
    „Du warst wunderschön“, verbesserte er. „Und ich wollte dich mehr als alles andere auf der Welt.“
    „Du warst arrogant“, erinnerte sie sich lächelnd. „Und unwiderstehlich attraktiv.“ Sie küsste ihn voller Zärtlichkeit. „Das bist du noch immer.“
    „Ich bin alt, Anna.“
    „Das sind wir beide.“
    Er presste ihre Hand an die Lippen. Der Ring, den er ihr vor so vielen Jahren geschenkt hatte, lag kühl an seiner Haut. „Und ich will dich noch immer so, wie ich nichts anderes gewollt habe.“
    Anna verstieß gegen alle Regeln und legte sich neben ihn, um seine Schulter unter ihrem Kopf zu spüren. „Das hier wird mich meinen Ruf kosten.“ Sie schloss die Augen. „Aber das ist es mir wert.“
    – ENDE –
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