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Gabriel - Duell der Engel

Gabriel - Duell der Engel

Titel: Gabriel - Duell der Engel
Autoren: Kaja Bergmann
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ihr in die eisblauen Augen. Küsste sie. Langsam. Vorsichtig. Sanft. Nahm meinen Mund wieder ein paar Zentimeter weit weg von ihrem. Flüsterte leise: »Ich muss dir was zeigen.«

3. Juni, 18:30 Uhr
    Â 
    Starker Wind heute. Perfektes Flugwetter. Wir standen auf dem Dach meines Lieblingswolkenkratzers und ließen die Luft mit unseren Haaren spielen. Hielten uns fest an den Händen.
    Â»Gabriel«, Sonja klang unsicher. »Was wolltest du mir zeigen?«
    Ich löste meine Hand aus ihrer und legte sie zusammen mit meiner anderen auf ihre Schultern. Hielt sie auf Armlänge von mir weg. Sah ihr tief in die Augen. Atmete ein. Aus. Mein Herz überschlug sich.
    Â»Sonja.« Ich hörte meine Stimme. Hörte sie, hielt den Atem an und sprach weiter. »Ich bin ein Engel.« Da waren sie. Die fünf Worte. Die fünf Worte, die ich in den letzten zwei Jahren so oft zu mir selbst gesagt hatte. Jetzt sagte ich sie zu ihr. Die fünf Worte, die alles so viel leichter machen konnten. So viel schöner. Oder die alles zerstören konnten. Ich wartete auf ihre Reaktion. Mein Herz schlug heftig. Bum. Bum. Sie sah mir in die Augen. Suchte in ihnen. Suchte nach Wahrheit. Bum. Bum. Sah, dass ich es ernst meinte. Bum. Sah, wie ich es meinte. Bum. Wich meinem Blick aus. Bum. Bum. Bum.
    Â»Gabriel«, flüsterte sie schließlich. Ihr Tonfall gefiel mir nicht. War das Angst? »Du bist verrückt.« Bum. Stille. Mein Herz war stehen geblieben. Genau das, was ich immer befürchtet hatte, war eingetreten. Sie hielt mich für einen Psychopathen.
    Â»Nein, Sonja! Nein, du verstehst nicht! Ich bin wirklich ein Engel! Seit zwei Jahren weiß ich es. Ich kann fliegen! Sonja, ich kann fliegen! Ich muss nicht mehr schlafen. Und … und ich muss dir noch etwas sagen … ich …« Ich holte tief Luft. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war, es zu sagen, dann jetzt. »Ich … habe Seraphin ermordet. Ich fühle mich total mies deswegen, aber weißt du, er war irgendwie … böse … Er wollte dich umbringen! Da musste ich einfach … Es ging nicht anders. Er war für die ganzen Morde verantwortlich. Du weißt schon, die ganzen ‚Unfälle’, die in letzter Zeit hier passiert sind. Er hat sie alle umgebracht. Aber jetzt ist es vorbei. Jetzt ist es vorbei, Sonja, und du weißt die Wahrheit.«
    So lange zurückgehalten, kamen die Worte jetzt wie von selbst. Sonja hatte die ganze Zeit schräg nach unten auf den Boden geblickt. Jetzt sah sie langsam hoch. Blickte mir direkt in die Augen. Ich erschrak. In ihrem Blick lag das pure Grauen. »Gabriel«, begann sie langsam. »Du sagst mir jetzt, dass das alles ein Scherz war. Ein schlechter, geschmackloser Scherz.« Mein Herz zersplitterte. Aua.
    Â»Sonja!«, schrie ich. »Du kennst mich! Du weißt, wann ich lüge, wann ich die Wahrheit sage, wann ich es ernst meine, wann nicht. Du weißt, dass ich ein Engel bin. Komm schon, du weißt es!«
    Ihr Blick war noch immer voll des schrecklichsten Entsetzens, das ich je gesehen hatte. Sie versuchte krampfhaft, die Kontrolle zu behalten, schaffte es gerade so. »Gabriel, du hörst mir jetzt ganz genau zu.« Ihre Stimme war übermäßig laut und übermäßig deutlich. Sie sprach mit mir, als wäre ich wieder fünf Jahre alt. Oder verrückt. »Du bist kein Engel. Du hast Seraphin nicht umgebracht. Das war Selbstmord. Du bist Gabriel. Ein ganz normaler, siebzehnjähriger Junge. Mein Freund. Wir vergessen, was ich gestern im Eiscafé gesagt habe, wir vergessen, was du eben gesagt hast, wir vergessen Seraphins Tod. Fangen noch mal ganz von vorne an. Du kommst jetzt erst mal von diesem Dach runter. Wir schaffen das. Wir schaffen das zusammen. Ich bin bei dir. Du bist nicht allein. Ich helfe dir.« Sie wollte mich zu sich ziehen. Weg von der Luft. Weg vom Wind. Weg in irgendeine graue, bedrückende Zukunft in der Psychiatrie.
    Â»Nein!«, brüllte ich und riss mich von ihr los. »Nein! Du glaubst mir nicht? Schön, dann werde ich es dir eben beweisen!«
    Â»Nein!«, schrie Sonja hinter mir schrill, ihre Stimme grauenvoll verzerrt vor Angst. »Nein, Gabriel, tu das nicht!«
    Doch ich hörte nicht auf sie. Rannte auf den Rand des Daches zu. Musste ihr zeigen, dass ich die Wahrheit sagte. Vor mir erstreckte sich Frankfurt, grau und hässlich wie immer. Ich holte tief Luft, stieß mich ab und
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