Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gabriel - Duell der Engel

Gabriel - Duell der Engel

Titel: Gabriel - Duell der Engel
Autoren: Kaja Bergmann
Vom Netzwerk:
hast seitdem keine Vision mehr gehabt, nehme ich an?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Â»Nun, dann herzlichen Glückwunsch. Du hast den Test bestanden.«
    Â»Test?«
    Â»Ja. Weißt du, als ich gemerkt habe, was ich bin, habe ich mich auf die Suche nach anderen gemacht. Anderen Engeln. Habe auch einige gefunden. Ein paar waren richtig alt, sahen aber aus wie zwanzig oder so. Na ja, jedenfalls haben sie mich … aufgeklärt. Irgendwann nach deiner Verwandlung kommt die erste Vision. Bei einigen kommt sie früher, bei anderen später. Alles sind widerliche, ekelerregende Gewaltszenen. Wenn sie dich abstoßen, einfach nur abstoßen, kommen sie nie wieder. Wenn sie dich faszinieren, wiederholen sie sich, immer öfter, immer grauenvoller. Und irgendwann beginnst du, die Dinge, die du siehst, wirklich zu tun. Du kannst dagegen ankämpfen, natürlich kannst du das. Aber es ist ein endloser Kampf. Irgendwann kannst du nicht mehr und gibst nach. Das ist der Zeitpunkt, in dem dieses Ding erwacht. Es wird stärker und stärker. Übernimmt die Kontrolle über dich. Und irgendwann ziehst du dich zurück. In einen dunklen, kleinen Teil deiner Seele. Überlässt diesem Ding die Kontrolle. Über alles. Gabriel, ich kann nicht mehr länger kämpfen. Ich kann nicht. Ich hab es so lange versucht, aber jetzt … Das würde ewig so weitergehen. Verstehst du, was ich dir sagen will?«
    Ich schüttelte den Kopf und sperrte mich gegen die aufkeimenden Gedanken. Trat sie gewaltsam wieder zurück in die Erde. Zog einige heraus und warf sie auf den Kompost.
    Seraphin beobachtete mich. »Natürlich verstehst du es«, flüsterte er. »Hier …« Er zog einen Dolch unter seinem schwarzen Hemd hervor. Ich konnte das Spiegelbild des Mondes in der blanken Klinge erkennen.
    Â»Du hast keine dramatische Ader, oder?«, fragte ich ironisch.
    Seraphin lächelte. »Du weißt, dass es der einzige Weg ist«, meinte er traurig.
    Â»Nein!«, schrie ich wütend. »Verdammt noch mal, ich kann das nicht! Warum machst du es nicht einfach selbst?«
    Â»Selbstmörder kommen in die Hölle!« Seraphin grinste. Für einen kurzen Augenblick erinnerte er mich an früher, an den dreisten, sarkastischen Jungen im Türrahmen. Früher? Tatsächlich waren erst zwei Wochen vergangen. Es war so viel passiert …
    Â»Du hast zu viel Emilia Galotti gelesen«, erwiderte ich schwach. »Nein, tu mir bitte einen Gefallen und verschone mich damit. Ich bin kein Mörder. Mal ehrlich: Warum bringst du dich nicht einfach selbst um? Springst irgendwo runter, nimmst Schlaftabletten oder so?«
    Seraphin sah mich an. Irgendwie war sein Blick … belustigt?
    Â»Was ist denn daran so witzig?!«, fauchte ich wütend.
    Er antwortete nicht. Sah mich nur weiterhin unverwandt an, während ein leises Lächeln seine Lippen umspielte. Als wartete er auf etwas.
    Â»Scheiße«, murmelte ich. Geistesblitz. »Scheiße, wir können ja gar nicht sterben.«
    Seraphin hob bestätigend einen Zeigefinger. Er lächelte noch immer.
    Â»Aber … dieser Dolch … Damit geht es? Ist das irgendwie … echtes Silber oder so?«
    Â»Nein, das sind die Tränen des Mondes, gefroren durch den Atem des Nordsterns.«
    Ich blickte ihn misstrauisch an. Er starrte auf den Dolch, als wäre er ein heiliges Relikt.
    Â»Die Tränen des Mondes …«, flüsterte ich ehrfurchtsvoll.
    Seraphin brach in Gelächter aus. »Nein, du Idiot!«, japste er. »Das ist stinknormales Eisen. Oder sonst irgendein Metall.« Er hatte Tränen in den Augen. »Hab den mal auf ’nem Mittelaltermarkt gekauft, fand ihn irgendwie cool. Tränen des Mondes, Gott, bist du naiv!« Er kicherte.
    Ich verfluchte und hasste mich selbst für meine Dummheit. Seraphins Gelächter tat mir weh. Er hörte schlagartig damit auf. Wischte sich mit seinem Ärmel die Lachtränen aus den Augen. War plötzlich wieder ernst. Todernst. Sah mich an. Sein Blick bohrte sich in mein Herz. Tat aber nicht weh.
    Â»Nein, der Punkt ist: Du musst ihn mir mitten ins Herz stoßen.« Er hatte langsam und sehr deutlich gesprochen. Seine Stimme hinterließ einen merkwürdigen Faden in der kühlen Nachtluft. Wie ein Flugzeug. Heller, gut sichtbarer Rauch.
    Ich starrte ihn an. Wusste, dass er es diesmal ernst meinte.
    Â»Das kann ich nicht!«, stieß ich entsetzt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher