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Gabriel - Duell der Engel

Gabriel - Duell der Engel

Titel: Gabriel - Duell der Engel
Autoren: Kaja Bergmann
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Versuchte es zumindest. Seit zwei Stunden und sechzehn Minuten war ich angespannt wie nie. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, wenn Seraphin tatsächlich schon jetzt auftauchte. Okay, das war falsch. Ich wusste, was ich tun sollte. Ich sollte ihn töten. Sollte es ausnutzen, wenn er wieder eine seiner schwachen Phasen hatte. Ja, ich kannte seine Schwächen. Wusste, wann ich ihn treffen konnte.
    Nur gab es da ein Problem: Ich war kein Mörder. Und hatte auch nicht vor, im Laufe des Tages einer zu werden. Glaubte nicht, dass ich so etwas konnte. Auch nicht aus Liebe.
    Und überhaupt, warum war Seraphin so erpicht darauf, dass ich ihn umbrachte? Was sollten seine merkwürdigen Stimmungsschwankungen? War er irgendwie schizophren oder so was? Oder war das Ganze eine Falle? Vielleicht war er gar nicht schwach. War es nie gewesen. Zu keinem Zeitpunkt. Wollte einfach nur sehen, ob ich es tatsächlich versuchte. Ich kannte die Antwort schon jetzt: Ich konnte es nicht. Allein der Gedanke an einen Mord bereitete mir Übelkeit.
    Ein Rascheln über mir. Ich schreckte auf. Riss den Kopf nach oben. Eine Krähe flatterte aus einem Baum. Nur eine Krähe. Mein Herz breitete sich wieder aus, begann, in einem normalen Rhythmus zu schlagen. Ich sah nach links und da saß Seraphin. Direkt neben mir. Mein Schrei gellte laut und schrill durch die Nacht. Ich vergaß zu atmen.
    Â»Danke für den Tinnitus«, meinte Seraphin gelassen. Dann sagte er nichts mehr. Eine ganze Weile nicht. Schließlich drehte er langsam den Kopf in meine Richtung. »Ist das normal, dass du so blau im Gesicht bist?« Er lächelte traurig. »Vielleicht solltest du mal Luft holen. Nur so ’n Tipp.«
    Ich atmete heftig ein. Wieder aus. Ein. Aus. Hatte gar nicht gemerkt, wie mein Gehirn rebellierte. Der Schreck saß mir noch immer in allen Gliedern. Ich schüttelte meine Arme aus und zwang mich, meine Körperhaltung etwas zu entspannen. Wartete, bis sich mein Herzschlag ein wenig normalisiert hatte. Ein wenig. Dann sah ich mir Seraphin genauer an. Vorsichtig.
    Â»Sie sind grau«, kam er mir leise zuvor. Drehte sich um. Sah mich direkt an. »Zufrieden?«
    Er sah furchtbar aus. Das Haar war vom Wind zerzaust, die Haut leuchtete weiß im Mondlicht. Seine Augen sahen entzündet aus, die Ringe unter ihnen tiefer als der Grand Canyon. Aber sie waren wirklich grau.
    Ich drehte mich weg. Versuchte, mein Herz etwas langsamer schlagen zu lassen. Es gelang mir nicht.
    Â»Du hast nicht mehr viel Zeit«, flüsterte Seraphin.
    Â»Ich weiß.«
    Â»Weißt du, ich kann es nicht kontrollieren.« Er schluckte. Starrte geradeaus in die dunkle Hecke, die bedrohlich vor uns aufragte, eine undurchdringliche Mauer. »Da ist dieses … Ding in mir. Es beherrscht mich. Nicht ständig. Aber immer öfter. Weißt du, früher, da war ich sarkastisch, zynisch, selbstbewusst. Ich glaube, die meisten Leute fanden mich ziemlich ätzend. Mir war das egal. Jetzt bin ich nur noch manchmal so. Dieses Ding, es zerstört mich. Macht mich kaputt. Frisst mich auf, spuckt mich wieder aus und alles, was von mir noch übrig ist, ist das hier.« Er hob die Arme und sah an sich herunter. Wandte den Blick zu mir. Seine Intensität erschreckte mich. »Alles fing mit diesen Visionen an. Ich tat grässliche Dinge, widerwärtige Dinge. Aber irgendwie haben sie mich … fasziniert. Ich weiß auch nicht. Dann kam ich an einen Punkt, an dem ich mich entscheiden musste. Entweder für einen ewigen Kampf oder für eine Niederlage. Ich entschied mich falsch. Jetzt bin ich … ein Mörder. Du hast gesehen, wozu ich fähig bin. Was dieses Ding in mir macht. Du musst es aufhalten. Bitte.« Er sah mich an, sein Blick ein einziges, riesiges, herzerschütterndes Flehen.
    Â»Ich hatte auch schon so eine Vision«, murmelte ich leise.
    Â»Und?«, fragte Seraphin nervös. »Haben sie dich auch so … ergriffen? Fandest du sie auch so widerlich, und doch haben sie dich nicht mehr losgelassen? Wolltest du auch immer mehr sehen?«
    Ich schüttelte entsetzt den Kopf. »Nein!«, rief ich laut. Zu laut. »Nein«, wiederholte ich ein wenig gedämpfter. »Natürlich nicht. Ich wollte … meine Gedanken herausreißen, zerfetzen, verbrennen. Es war das Widerlichste, was ich je gesehen habe! Faszination? Das ist doch sadistisch!«
    Â»Scheint so«, meinte Seraphin leise. »Du
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