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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic
Autoren: William Gibson
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regelmäßig oder sonst wie. Mikrowellennudeln, Diagnostik-Kits für die meisten sexuell übertragbaren Krankheiten, Zahnpasta, alles mögliche Wegwerfzeug, Netzzugang, Kaugummi, Mineralwasser... Überall in Amerika, ja sogar überall auf der Welt gab es Lucky Dragons, und zum Beweis dafür stand das Wahrzeichen von Lucky Dragon draußen, die Global Interactive Video-Säule. An der musste man vorbei, wenn man den Laden betrat oder verließ, und dann sah man das jeweilige Dutzend Lucky Dragons, mit dem der Laden auf dem Sunset gerade verbunden war, in Paris, Houston oder Brazzaville, wo auch immer. Die Verbindungen wechselten alle drei Minuten, und zwar aus einem ganz praktischen Grund: Man war zu der Überzeugung gelangt, dass Jugendliche in den lang-weiligeren Vorstädten der Welt bei längerer maximaler Übertra-gungsdauer versuchen würden, Wetten zu gewinnen, indem sie es vor der Kamera miteinander trieben. Auch so bekam man schon eine ganze Menge nackte Hintern und Titten zu sehen. Und noch öfter Gestalten wie diesen zugedröhnten Burschen im Zentrum von Prag, der den weltweit verbreiteten Stinkefinger reckte, als Rydell gerade zum Gehweg-Check hinausging.
    »Du mich auch«, sagte Rydell zu diesem unbekannten Tsche-chen und zog die neon-pinkfarbene Lucky-Dragon-Hüfttasche hoch, die er laut Vertrag im Dienst tragen musste. Er hatte aber nichts dagegen, obwohl sie beschissen aussah: Sie war kugelsicher und enthielt ein hoch ziehbares Babylätzchen aus Kevlar, das man sich um den Hals binden konnte, falls es mal härter zuging.
    17
    In seiner zweiten Dienstwoche hatte ein lateraler Kunde versucht, Rydell mit einem Keramikmesser durch das Lucky-Dragon-Logo hindurch zu erstechen, und danach hatte Rydell eine Art Bund mit dem Ding geschlossen.
    Das Schnappmesser lag jetzt oben in seinem Zimmer über Mrs.
    Siekevitzs Garage. Sie hatten es unter der Erdnussbutter gefunden, nachdem das LAPD den Lateralen abgeführt hatte. Die schwarze Klinge sah aus wie sandgestrahltes Glas. Rydell mochte es nicht; wegen der Keramikklinge lag es ganz merkwürdig in der Hand, und es war so scharf, dass er sich schon zweimal dran geschnitten hatte. Er wusste nicht so recht, was er damit machen sollte.
    Der heutige Gehweg-Check schien ein Kinderspiel zu sein.
    Draußen stand eine Japanerin mit wahrhaft erstaunlich langen Beinen und noch erstaunlicheren kurzen Shorts. Das hieß, sie sah irgendwie japanisch aus. Rydell fiel es schwer, in L. A. solche Unterscheidungen zu treffen. Durius meinte, hybrider Schöpferdrang sei momentan total angesagt, und Rydell vermutete, dass er Recht hatte. Das Mädchen mit den Endlosbeinen war fast so groß wie er, und er glaubte nicht, dass Japaner normalerweise so groß wurden. Aber vielleicht war sie ja hier aufgewachsen, wie schon ihre Eltern vor ihr, und das hiesige Essen hatte sie alle in die Höhe schießen lassen. Er hatte gehört, dass so etwas vorkam.
    Aber nein, entschied er, als er näher kam, es lag daran, dass es gar kein Mädchen war. Komisch, dass man das merkte. Meistens war es nichts besonders Auffälliges. Es war, als würde er ihr wirklich gern alles abkaufen, was sie tat, um ein Mädchen zu sein, als ließe es irgendeine unterschwellige Botschaft aus ihrer Knochenstruk-tur jedoch nicht zu.
    »He«, sagte er.
    »Das heißt, verzieh dich, was?«
    »Na ja«, sagte Rydell. »Eigentlich schon.«
    »Und ich soll eigentlich hier stehen und eine stumpfsinnige Kundschaft dazu bringen, sich einen blasen zu lassen. Wo ist der Unterschied?«
    18
    Rydell dachte darüber nach. »Du bist freischaffend«, sagte er schließlich, »ich bin angestellt. Wenn du dich für zwanzig Minuten ein Stück weiter hinstellst, feuert dich keiner.« Er konnte ihr Parfüm durch den komplexen Cocktail aus Umweltgiften und den geisterhaften Orangenduft riechen, der einem hier manchmal in die Nase stieg. Es gab Orangenbäume in der Gegend, es musste welche geben, aber er hatte noch nie einen entdeckt.
    Sie sah ihn stirnrunzelnd an. »Freischaffend.«
    »Genau.«
    Sie wiegte sich gekonnt auf ihren hohen Absätzen und fischte eine Schachtel russische Marlboro aus ihrer pink farbenen Lack-ledertasche. Vorbeifahrende Autos ließen bei dem Anblick, wie der Lucky-Dragon-Wachmann mit diesem über eins achtzig großen Jungenmädchen sprach, bereits die Hupe ertönen, und jetzt machte sie bewusst etwas Illegales. Sie klappte die rot-weiße Schachtel auf und bot Rydell ostentativ eine Zigarette an. Es waren zwei fabrikmäßig
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