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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic
Autoren: William Gibson
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jeder Sequenz gewesen, während Cody Harwood nur von diversen Sidebars und eingebetteten Hyper-textrauten grinste: Die Schönheit und dieser sanft dreinschauende, verschlossene, betont uncharismatische Milliard är.
    »Hallo«, sagt Laney, als seine Finger auf den Griff einer mechanischen Taschenlampe aus Nepal stoßen, eines primitiven Dings, dessen winziger Generator von einem Mechanismus wie einer gefederten Zange angetrieben wird. Er pumpt, bis sie zum Leben erwacht, und hebt sie hoch; der leicht fluktuierende Strahl findet die Kartondecke. Sie ist dicht an dicht mit Dutzenden kleiner rechteckiger, von einem Automaten am westlichen Eingang des Bahnhofs individuell gefertigter Aufkleber gepflastert: Lauter verschiedene Fotos des zurückgezogen lebenden Harwood.
    Er kann sich nicht erinnern, dass er zu dem Gerät gegangen ist, eine simple Bildersuche nach Harwood durchgeführt und für den Ausdruck der Bilder bezahlt hat, aber es muss wohl so gewesen sein. Er weiß nämlich, dass sie von dort stammen. Ebensowenig erinnert er sich daran, die Klebefolie abgezogen und sie an die Decke gepappt zu haben. Aber jemand hat es getan. »Ich seh dich«, sagt Laney und entspannt die Hand, so dass der matte Lichtstrahl braun wird und schließlich erlischt.
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    FORMELLE ABWESENHEITEN

WERTVOLLER DINGE
    auf der Market Street hat der namenlose Mann, der in ALane
    ys nodaler Konfiguration herumspukt, gerade ein Mädchen gesehen.
    Vor drei Jahrzehnten ertrunken, tritt sie frisch wie der junge Tag aus den Bronzetüren eines Maklerbüros. Und ihm wird im selben Moment bewusst, dass sie tot ist und er nicht, dass es ein anderes Jahrhundert ist und dies ganz eindeutig ein anderes Mädchen, eine taufrische Fremde, mit der er nie sprechen wird.
    Und als er nun durch den feinen chromatischen Dunst der her-einbrechenden Nacht an diesem Mädchen vorbeigeht, neigt er den Kopf ein winziges Stück zu Ehren jener anderen, die damals von ihm gegangen ist.
    Und seufzt in seinem langen Mantel und dem Gurtwerk, das er darunter trägt: Saugt Luft ein und gibt sie wieder frei, ein resig-nierter Atemzug im dichten Gewühl der Händler, die von ihren diversen Arbeitsstätten herabkommen, die weiter auf die herbst-liche Straße heraustreten, auf dem Weg zu einem Drink, einem Abendessen oder dem Zuhause, dem Schlaf, die auf sie warten.
    Doch nun ist diejenige, mit der er nicht sprechen wird, ebenfalls fort, und ihn übermannt eine Emotion, kein Verlustgefühl im eigentlichen Sinn, sondern ein sehr ausgeprägtes Bewusstsein seines langen Daseins auf der Welt und in ihren Städten, vor allem in dieser.
    Unter seinem rechten Arm hängt, zuverlässig versteckt, ein Messer, das mit dem Kopf nach unten schläft wie ein Vampir; es 25
    ist rasiermesserscharf geschliffen, so scharf wie die Messer von Chirurgen, sofern diese mit Stahl schneiden.
    Es ist mit drei Magneten gesichert, die in ein schlichtes Neu-silberheft eingelassen sind. Die leicht gebogene Spitze der Klinge, die an den Beitel eines Holzschnitzers erinnert, neigt sich zum dunklen Puls der Schlagader in seiner Achselhöhle, als wollte sie ihm ins Gedächtnis rufen, dass auch er immer nur Zentimeter von jener Zeitlosigkeit entfernt ist, jenem Ort, an den das ertrunkene Mädchen vor so langer Zeit gegangen ist. Jenem anderen, wartenden Land.
    Sein Beruf ist Pförtner an der Tür zu diesem Land.
    Gezückt wird die schwarze Klinge zum Schlüssel. Hält er das Messer in der Hand, ist es der Wind.
    Die Tür schwingt sanft auf.
    Aber jetzt zieht er es nicht, und die Händler sehen nur einen grauhaarigen, auf wolfartige Weise professoralen Mann mit einem Mantel von der graugrünen Farbe gewisser Flechten, der hinter dem dünnen Goldrahmen seiner kleinen runden Brille zwinkert und die Hand hebt, um ein vorbeifahrendes Taxi zu stoppen. Aber sie stürzen nicht zu dem Taxi, um es zu beanspruchen, obwohl es ein Leichtes für sie wäre, und der Mann geht an ihnen vorbei, die Wangen vertikal von tiefen Klammern gefurcht, als hätte er früher einmal die Angewohnheit gehabt, viel zu lächeln. Sie sehen ihn nicht lächeln.
    Das Tao, ruft er sich in Erinnerung, als er auf der Post Street im Stau steckt, ist älter als Gott.
    Unter den Schaufenstern eines Juweliers sieht er einen Bettler sitzen. In den Fenstern stehen kleine, leere Podeste, formelle Abwesenheiten wertvoller Dinge, die jetzt für die Nacht wegge-schlossen sind. Der Bettler hat Beine und Füße in braunes Papierband gewickelt, was verblüffend
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