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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic
Autoren: William Gibson
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hergestellte Filterzigaretten drin, aber eine war kürzer als die andere und hatte metallic-blauen Lippenstift am Filter.
    »Nein danke.«
    Sie nahm die kürzere, halb aufgerauchte heraus und steckte sie sich zwischen die Lippen. »Weißt du, was ich an deiner Stelle täte?« Die Lippen um den braunen Filter sahen aus wie zwei mit glitzernder blauer Zuckerglasur überzogene Miniwasserbetten.
    »Was?«
    Sie zog ein Feuerzeug aus ihrer Handtasche. Eins der Dinger, die man in TobaccianaLäden bekam. Deren Verkauf wollten sie auch noch verbieten, hatte er gehört. Sie ließ es aufflammen und zündete sich die Zigarette an. Sog den Rauch ein, behielt ihn drin und stieß ihn dann aus, weg von Rydell. »Ich würd mich schleu-nigst vom Acker machen.«
    Er schaute in den Lucky Dragon hinein und sah, wie Durius etwas zu Miss Praisegod Satansbane sagte, der Kassiererin dieser Schicht. Praisegod hatte Humor, und bei so einem Namen musste 19
    man den wohl auch haben. Ihre Eltern waren südkalifornische Neopuritaner von einem besonders bösartigen Schlag; den Namen Satansbane hatten sie vor Praisegods Geburt angenommen.
    Das Dumme sei, hatte sie Rydell erklärt, niemand wisse so genau, was »bane« bedeute – nämlich »Ruin« –, und wenn sie den Leuten ihren Nachnamen sage, dann glaubten die meistens, sie sei Sata-nistin. Deshalb nannte sie sich häufig Proby. So hatte ihr Vater geheißen, bevor er zu Gott gefunden hatte.
    Jetzt sagte Durius wieder etwas, und Praisegod warf die Schultern zurück und lachte. Rydell seufzte. Er wünschte, Durius wäre mit dem Gehweg-Check dran gewesen.
    »Hör mal«, sagte Rydell, »ich behaupte ja nicht, dass du nicht hier stehen darfst. Der Gehweg gehört allen. Ist ja nur wegen der Firmenpolitik.«
    »Ich rauch jetzt die Zigarette auf«, sagte sie, »und dann ruf ich meinen Anwalt an.«
    »Können wir’s nicht unter uns regeln?«
    »Mh-mh.« Breites, metallic-blaues, Kollagen geschwollenes Lächeln.
    Rydell schaute zu Durius hinüber und sah, dass dieser ihm Handzeichen gab. Er zeigte auf Praisegod, die ein Telefon in der Hand hielt. Hoffentlich hatten sie nicht die Bullen gerufen. Er hatte das Gefühl, dass dieses Mädchen wirklich einen Anwalt hatte, und das würde Mr. Park nicht gefallen.
    Jetzt kam Durius heraus. »Für dich«, rief er. »Sie sagen, es ist Tokio.«
    »Entschuldige mich«, sagte Rydell und wandte sich ab.
    »He«, sagte sie.
    »He was?« Er blickte zu ihr zurück.
    »Du bist süß.«
     
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TIEF DRIN
    aney hört seine Pisse in die Plastik-Literflasche mit dem LSchraub
     
    verschluss gurgeln. Er kniet ungelenk im Dunkeln und findet es unangenehm, wie sich die Flasche in seiner Hand erwärmt, während sie sich füllt. Er schraubt sie nach Gefühl zu und stellt sie aufrecht in die Ecke, die am weitesten von seinem Kopf entfernt ist, wenn er schläft. Morgen früh wird er sie unter seiner Jacke aufs Herrenklo bringen und ausleeren. Der alte Mann weiß, dass er momentan zu krank ist, um jedes Mal hinauszukriechen und den Gang entlangzugehen, aber so haben sie es vereinbart. Laney pisst in die Flasche und bringt sie hinaus, sobald er kann.
    Er weiß nicht, warum der Alte ihn hier bleiben lässt. Er hat ihm Geld angeboten, aber der Alte baut nur weiter seine Modelle. Er braucht einen Tag, um eins fertig zu stellen, und sie sind immer perfekt. Wohin verschwinden sie, wenn er sie fertig hat? Und woher kommen die Bausätze?
    Laney hat die Theorie, dass der Alte ein Modellbau-Sensei ist, ein nationales Kulturgut; Kenner bringen ihm Bausätze aus aller Welt und warten nervös darauf, dass der Meister mit seiner ein-maligen und dennoch seltsam lässigen Präzision, seinen Zen-Bewegungen ihre klassischen Gundams fertig stellt und jedem vielleicht einen klitzekleinen und irgendwie perfekten Fehler mit-gibt, seine Signatur und zugleich eine Bestätigung der Natur des Universums. Weil in Wirklichkeit nichts perfekt, nichts jemals fertig ist. Alles ist ein Prozess, versichert sich Laney, zieht dabei den Reißverschluss hoch und macht es sich wieder in seinem ver-dreckten Nest aus Schlafsäcken bequem.
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    Aber dieser Prozess ist weitaus seltsamer, als er erwartet hat, denkt er, während er ein Schlafsackende zu einem Kopfkissen an der Pappe zusammenknüllt, durch die er die harte Fliesenwand des Ganges spüren kann.
    Trotzdem muss er hier sein, glaubt er. Wenn es einen Ort in Tokio gibt, wo ihn Rez’ Leute nicht finden, dann diesen. Er weiß nicht mehr genau, wie er hierher
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