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Furor

Furor

Titel: Furor
Autoren: Markus C. Schulte von Drach
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mit dem Namen BLUEBIRD hatte, in dem die CIA ab 1950 herauszufinden versuchte, wie man aus feindlichen Agenten Informationen gewinnen und die Gehirnwäsche eigener Agenten verhindern konnte. Die Agency war aufgeschreckt worden von Hinweisen auf ähnliche Techniken, die die Chinesen und Russen zu verwenden schienen. Es folgte das Programm ARTECHOKE, in dem die Versuche weiterentwickelt wurden. 1953 startete die Agentur schließlich MKULTRA, mit dem die Finanzierung und Durchführung von Humanexperimenten im großen Rahmen organisiert wurden.
    Die Papiere belegten, dass das MKULTRA-Programm mindestens 149 Unterprogramme umfasste. Die einzelnen Projekte wurden an Universitäten, in Krankenhäusern, Gefängnissen und privaten Unternehmen durchgeführt. Es ging nicht mehr nur um Befragungstechniken und Gehirnwäsche, sondern auch um die gezielte Manipulation von Menschen. Eines der Ziele war es herauszufinden, wie man Personen dazu bringen konnte, ohne eigenen Willen zu töten.
    Die Teilnehmer der Experimente wussten häufig nicht, worum es bei diesen Versuchen ging – nicht einmal, dass sie überhaupt Versuchspersonen waren. Auch vielen beteiligten Wissenschaftlern war nicht bewusst, dass ihre Projekte von der CIA finanziert wurden. Aus den Dokumenten ging ebenfalls hervor, dass es im Rahmen eines als MKDELTA bezeichneten Programms auch zu Versuchen außerhalb der USA kam.
    Die Öffentlichkeit war empört, als die Geheimdienstaktivitäten bekannt wurden – doch alle Personen, die an den angeblich längst beendeten Projekten beteiligt gewesen waren, waren nicht mehr im Dienst. Die Aufarbeitung der Affäre war schwierig, und es dauerte weitere 17 Jahre, bis schließlich das Committee on Veterans’ Affairs unter dem Vorsitz von Senator John D. Rockefeller IV. abschließend feststellte, dass es Tausende von US-Bürgern waren, die an den Versuchen des DOD und der CIA teilgenommen hatten. 1994 legte der Senator einen Bericht vor, demzufolge »das Verteidigungsministerium in Zusammenarbeit mit der CIA in den 1950er und 1960er Jahren Tausenden von ›freiwilligen‹ Soldaten Halluzinogene verabreichte«. »Diese Armeeangehörigen«, so Rockefeller weiter, »nahmen an Versuchen mit Medikamenten teil, die zur Bewusstseinskontrolle oder Verhaltensveränderung führen sollten – oft ohne ihr Wissen oder ihre Einwilligung.«
    Darüber hinaus »führte das Verteidigungsministerium zahlreiche break-man -Tests durch, bei denen Soldaten chemischenWaffen ausgesetzt wurden, um festzustellen, bei welcher Belastung es zu Verlusten kommen würde – d. h. wann ein Mann die Belastung nicht mehr aushielt (break a man)«.
    Rockefeller berichtete darüber hinaus, dass »vom Verteidigungsministerium oder in seinem Auftrag noch immer jedes Jahr Tausende von Experimenten an Menschen durchgeführt werden«. Diese Experimente dienten zwar unter anderem dazu, Informationen über Krankheiten zu erlangen. Doch der Weg zu diesem Ziel erschien ihm äußerst bedenklich: Offiziere, so fand Rockefeller heraus, hatten ihren Untergebenen unter Drohungen befohlen, »freiwillig« an Studien teilzunehmen: »Zum Beispiel erklärten etliche Golfkriegsveteranen bei einer Befragung durch Komitee-Mitglieder, ihnen sei befohlen worden, während der Operation Desert Shield 1990 experimentelle Impfstoffe zu nehmen – oder ins Gefängnis zu gehen.«
    Sind die Versuche, Menschen mithilfe von Drogen zu manipulieren, heute vorbei? Wer weiß. Es waren sicher nicht nur Militärs, Nachrichtendienstler und Wissenschaftler in den USA, die solche Experimente durchführten – ähnliche Versuche dürfte es in einer Reihe weiterer Staaten gegeben haben. Wahrscheinlich gab es Humanexperimente mit Wahrheitsdrogen auch in der Sowjetunion und in China. Wenn also die Versuche mit und der Einsatz von bewusstseinsverändernden Mitteln in den USA beendet wurden – für die übrige Welt gibt es dafür keine Garantie. Auch die Vereinigten Staaten sind heute kaum eine andere Demokratie, und die US-Regierung fühlt sich den Menschenrechten heute vermutlich nicht stärker verpflichtet als während der 50er und 60er Jahre. Die Bedrohung durch den Kalten Krieg, mit der die CIA die Versuche zu rechtfertigen versuchte, ist vorüber – doch heute gibt es eine neue Gefahr: Der Westen befindet sich im Kampf gegen den Terror unddie Assassinen des fundamentalistischen Islam. Können wir sicher sein, dass es heute keinen Richard Helms, keinen Sidney Gottlieb mehr gibt, die ohne Wissen der
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