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Furchtbar lieb

Furchtbar lieb

Titel: Furchtbar lieb
Autoren: Helen FitzGerald
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decken und tilgte Stück für Stück alle Spuren des Alten. Als das Haus fertig war, war nirgendwo etwas von Kyle zu sehen. Keine Spur von ihm im Schlafzimmer, auf dem Dachboden, im Wohnzimmer oder im Schuppen. Er war genauso übertüncht worden wie die scheußlichen Fünfzigerjahretapeten.
    Sarah erkannte, dass sie immer pingeliger und zwanghafter wurde. Bei der Einweihungsfeier ihrer Küche gestand sie mir, dass sie Kyle einen »nichtsnutzigen Scheißkerl« genannt hatte, weil er Kartoffelschalen in den Normalmüll geworfen hatte. Sie hasste es, dass sie so kontrollierend wurde; sie konnte spüren, dass sie Kyle damit vertrieb, aber sie schaffte es einfach nicht, damit aufzuhören.
    Ich gab ihr die Nummer einer Therapeutin, von der meine Arbeitskollegin Marj gehört hatte. Nach ihren Sitzungen kam Sarah auf ein Glas Wein und eine nachträgliche Einsatzbesprechung bei mir vorbei. Ihren Angaben zufolge war die Therapeutin Anfang dreißig, hatte Kinder (das Foto stand auf ihrem Schreibtisch) und einen liebevollen Ehemann (das Foto stand auf ihrem Schreibtisch). Für Unsummen hörte sie zu, wennSarah sprach. Offenbar hatten sie gemeinsam erarbeitet, dass Sarah unter einer gestörten Bindungsfähigkeit litt. Das bedeutete, dass sie zu ihren Eltern eine wirklich miese Beziehung gehabt hatte. Sarahs Eltern hatten sich scheiden lassen, als sie ein Kleinkind gewesen war. Vivienne Morgan war während Sarahs gesamter Kindheit bei Dreharbeiten gewesen, und ihr Vater hatte nach der Scheidung aufgehört, ihr Vater zu sein und war ihr entfremdeter Vater geworden. Die Lage hatte sich nicht gebessert, als ihr Stiefvater auf den Plan getreten war, und sie schien sogar noch schlimmer geworden zu sein, nachdem er gegangen war, weil sich die Vorliebe ihrer Mutter für Abwechslungen zu einer ausgewachsenen Liebesaffäre entwickelt hatte.
    Gemeinsam hatten Sarah und die Therapeutin erarbeitet, dass es Sarah wegen dieser gestörten Bindungsfähigkeit an Vertrauen fehle. Sie hatten erarbeitet, dass Sarah sich vor allem deshalb ein Baby wünsche, weil sie das Unrecht ihrer eigenen Kindheit korrigieren wolle, und dass dies nicht gesund sei. Sie hatten auch erarbeitet, dass Sarah sich schuldig fühle, ein kleines Geschenk des Katholizismus.
    Sarah erzählte mir, sie habe sich ganz allein die Erkenntnis erarbeitet, dass Therapie eine sehr teure Methode sei, um sich selbst sogar noch mehr zu verachten, als sie es zuvor schon getan hatte.
    ***
    Mit Kyle in seiner ehelichen Küche zu sprechen, fühlte sich unbehaglich an. Der Kyle, den ich von der Universität kannte, war größtenteils verschwunden und durch Mr. Ernst, Mr. Arbeitet-ununterbrochen, Mr. Liest-seine-Zeitung-freudlos-und-zu-lange, Mr. Warum-zum-Teufel-kannst-du-meine-Freundin-nicht-schwängern ersetzt worden.
    Früher hatte er andere Eigenschaften gehabt, wirklich angenehme Eigenschaften, und deshalb war ich auch so begeistert gewesen, als er und Sarah zusammengekommen waren. Er war nicht nur unglaublich fit gewesen (mit der stärkstenWadenmuskulatur, die ich jemals im Leben hatte anfassen dürfen), sondern auch schlau, freundlich und sauwitzig. Wenn er bekifft war, konnte er surreale Anekdoten über Couscous und Schweine erzählen, und er war unheimlich gut im »Pictionary«-Spielen.
    Nach einer gefühlten Stunde Smalltalk ließ mich Kyle in der Küche stehen und ging Sarah holen. Sie tauchte mit geröteten Augen auf, und ihre Lippen begannen zu beben, als sie auf mich zukam.
    Wir umarmten uns und redeten miteinander, und ich entschuldigte mich überschwänglich und sprach besänftigend auf sie ein.
    Als ich nach Hause kam, rief Sarah an, um mir zu sagen, dass sie und Kyle gerade den unglaublichsten Sex miteinander gehabt hätten, und dass es richtig von mir gewesen sei, gesagt zu haben, was ich gesagt hatte.
    Sie tat mir wirklich sehr leid, aber ich fragte mich auch, ob ein dauerhafter Umzug in ihr Ferienhaus vielleicht keine so schlechte Idee sei.

[Menü]
    Kapitel drei
    Man kann sich vorstellen, wie saublöd es für Sarah war, als ich sie anrief, um ihr meine Neuigkeit mitzuteilen.
    »Ich bin schwanger«, sagte ich und konnte es selbst noch nicht ganz glauben. »Scheiße, ich bin schwanger.«
    Ich hätte nicht so damit herausplatzen sollen. Es lag teils am Schock und teils an meiner Angst vor ihrer Reaktion. Außerdem hatte ich einen Albtraumtag hinter mir, denn ich hatte ein Mädchen namens Jess in Pflege gegeben, dessen Mutter dauernd ins Pub ging und den winzigen Knirps
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