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Furchtbar lieb

Furchtbar lieb

Titel: Furchtbar lieb
Autoren: Helen FitzGerald
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mich mindestens zweimal in der Woche mit Sarah und Kyle zum Abendessen, bummelte mit Mum und Marj durch die Geschäfte, und ging ins Kino. Ich hüpfte beim Aqua-Aerobic herum, aß Currys, trank Himbeertee, gab dem verzweifelten Drang nach Blumenkohl nach, und dann, gerade als ich mich zu langweilen anfing, kam das Kind.

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    Kapitel vier
    Es fing an, als ich mein Treppenhaus in der Gardner Street hochging – insgesamt achtzig Stufen –, und lauter atmete, als ich je in meinem Leben geatmet hatte. Mein Gesicht war so empfindlich wie ein versteckter Pickel, der verschont worden ist, um perfekt zu reifen, und der bei geringstem Druck aufplatzen und sein überaus befriedigendes Inneres freigeben kann. Folgendes hatte ich über mich ergehen lassen: die Demütigung einer Vaginaluntersuchung, als ich in der zweiundzwanzigsten Woche Blutungen hatte; die Erniedrigung, mir in der dreiunddreißigsten Woche in die Hose zu pinkeln, als das Mädel an der Kasse von Sainsbury’s einen unheimlich lustigen Witz riss; die Entwürdigung, vor meiner Kollegin »Fräulein Ich-habe-keine-Körperfunktionen« furzen zu müssen, als ich mich während der Arbeit vorbeugte, um eine Akte aufzuheben; die Peinlichkeit, während einer »Gebärmutterhalsattacke« in Ohnmacht zu fallen.
    Nach neun Monaten und zehn Tagen Schwangerschaft rechnete ich jeden Moment mit dem Platzen der Fruchtblase. Nicht gerechnet hatte ich damit, dem neunundzwanzig Jahre alten, Bass spielenden Marco aus dem Stockwerk unter mir in die Arme zu laufen.
    Ich hatte seit ungefähr einem Jahr mit Marco geflirtet. Eines Abends hatte ich durch meine Bodendielen gehört, wie er und sein Kumpel improvisierten, und mich entschlossen, an seine Tür zu klopfen. »Ihr braucht ein bisschen Rhythmus«, hatte ich gesagt, ehe ich mit meinem Tamburin hereingetanzt war.
    Ein oder zwei ergebnislose Stunden verstrichen, ehe mir klar wurde, dass der Abend sich ausschließlich um Musik drehte,nicht um Trinken, Rauchen, Flirten oder Reden. Ich verabschiedete mich um zehn Uhr, und obwohl sie wirklich erfreut zu sein schienen, dass ich ihnen Gesellschaft geleistet hatte, hatte mich die Situation ein bisschen verunsichert. Also ging ich zurück in meine Wohnung, um mich auf die amerikanische Tour zu hassen: bei einem Eimer Eiscreme.
    Ich war Marco danach oft über den Weg gelaufen, und wir hatten ein paar Minuten lang auf der Treppe geplaudert. Er hatte mich gefragt, wie es mit meinem Rhythmusgefühl voranginge, und ich hatte gesagt, »gut«, und ich hatte ihn gefragt, ob er mit seinen Songs Fortschritte mache, und er hatte gesagt, »gute«, und die ganze Zeit hatte ich mich darüber gewundert, dass er die zwischen uns knisternde sexuelle Spannung nicht zu bemerken schien.
    Als die Zeit voranschritt und mein Bauch immer größer wurde, hatten wir das Spiel »Wer kann die wachsende Kugel besser ignorieren?« gespielt. Wir hatten einander direkt in die Augen geschaut und uns ernsthaft unterhalten: »Wie geht es mit dem Rhythmusgefühl voran?« »Machen deine Songs Fortschritte?« Mein Blick war so entschlossen gewesen, dass jeder Versuch von ihm, die Augen abwärts zu richten, eine klare Gesetzesübertretung gewesen wäre.
    Diesmal jedoch wurden die sexuelle Spannung und das besorgte Mustern durch ein deutlich hörbares Ploppen unterbrochen.
    »Was war das?«, fragte Marco.
    »Ich denke, das war mein Schleimpfropfen«, sagte ich.
    Ich ließ einen trocken würgenden Marco auf der Treppe zurück, ging in meine Wohnung, zog meine Unterhose aus, untersuchte sie und rief Sarah an.
    ***
    Sarah traf ungefähr eine halbe Stunde später ein. Sie war mit der Hebamme schon übereingekommen, dass ich nicht ins Krankenhaus gehen solle, ehe es »wirklich ernst« würde.Später fand ich heraus, was das bedeutete: Dass ich nicht ins Krankenhaus gehen sollte, ehe ich vor Schmerzen so außer mir war, dass ich mich und/oder andere hätte umbringen können.
    Vier Stunden lang spielte Sarah mir Kassetten vor, machte Tee, massierte meinen Rücken und ließ mir Bäder ein.
    »Die sind ja wohl Pipikram!«, sagte ich, als ich ein unregelmäßiges Bauchstechen mit korrekter Atmung überstanden hatte. »Damit komme ich den ganzen Tag lang klar!«
    Ich hatte immer geglaubt, über eine sehr hohe Schmerztoleranz zu verfügen. Ich konnte zwar kein Blut sehen, aber mit so ziemlich allem anderen kam ich klar. Als Kind hatte ich bei keiner einzigen Impfung geweint. Als ich mir beim Windsurfen die Nase gebrochen hatte, war ich
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