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Furchtbar lieb

Furchtbar lieb

Titel: Furchtbar lieb
Autoren: Helen FitzGerald
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mache aus dieser verdammten Höhle einen Fitnessraum« schrie Sarah. »Wie sollen wir jemals ein Kind kriegen, wenn du dich da draußen verkriechst wie ein Maulwurf? Ehrlich, Kyle, du bist schon ganz käsig vor Lichtmangel, und einen Bierbauch hast du auch. Es ist widerlich! Du wirst es mir von hinten besorgen müssen.«
    Im fünften Jahr – dem siebten Jahr ihrer Ehe – war alle Lebenslust aus ihm gewichen, und er blieb so lange wie möglich bei der Arbeit oder im Sportstudio. Während der restlichen Zeit balancierte er auf einem Seil und hoffte nur, es bis ans Ende zu schaffen und nicht herunterzufallen.

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    Kapitel sechs
    Zuerst dachte ich, es sei der Babyblues. Ich hatte gehört, dass einem am dritten Tag (wenn sich die Titten in Granitbrocken verwandeln, die imstande sind, unschuldige Passanten mit ihren warmen Milchstrahlen umzuhauen) unter Umständen ein bisschen weinerlich zumute wird. Das ist der ganz normale Babyblues. Als ich weinte, weil die Frühstücksfrau keine Aprikosenmarmelade hatte, geriet ich also nicht in Panik. Das war der Babyblues. Ganz normal.
    Aber am vierten Tag weinte ich, weil ich meine Beckenbodenmuskeln nicht finden konnte, wie sehr ich es auch versuchte. Am fünften Tag weinte ich, weil ich allmählich der Tatsache ins Auge sehen musste, eines Tages Aa zu machen. Am sechsten Tag weinte ich, als ich Aa machte, und am siebten Tag weinte ich wegen eines Werbespots für Cornflakes in der Glotze. Am achten Tag weinte ich, als ich mit meinem schon etwas weniger gelben Kind nach Hause ging. Er hatte Gelbsucht bekommen, was zur Folge gehabt hatte, dass er sich stark verfärbte und wir erst am achten Tag nach Hause gehen konnten.
    In der dritten Woche weinte ich jedesmal, wenn meine Mutter mich besuchte, weil ich das Gefühl hatte, die dümmste und schlechteste Mutter der Weltgeschichte zu sein.
    »Vielleicht bist du depressiv? Das ist ganz normal«, wisperte sie bei einer dieser Gelegenheiten nervös.
    Ich hielt Robbie an meine steif gespannte Brustwarze und knirschte mit den Zähnen.
    »Geh und leg dich schlafen«, sagte sie vorsichtig, während sie beobachtete, wie der jammernde Robbie Saft aus meinem Ziegelstein zu saugen versuchte. »Danach könnten wir vielleichtgemeinsam den Krankenpfleger der Sozialstation anrufen oder Kyle.«
    »Mir geht’s gut«, bellte ich.
    Gottseidank gab sie nicht auf. Sie ließ Faltblätter über postnatale Depressionen auf dem Beistelltisch liegen (ich warf sie weg).
    Sie brachte Kyle und Sarah dazu, mich zu besuchen. (Ich redete über das Wetter.)
    Sie traf zufällig zur gleichen Zeit wie der Krankenpfleger ein. (Ich redete über das Wetter. Das Wetter war gut, genau wie mein Gemütszustand.)
    Mit ging es immer »gut, gut, Scheiße, gut!«. Herrje, was für eine Sorte Frau wäre ich denn gewesen, wenn es mir nicht gut gegangen wäre? Die Sorte, die versagt. Die Sorte, die es nicht verdient hat, Mutter zu sein.
    Als alles andere nicht half, nahmen meine Eltern uns mit nach Italien, damit ich etwas Ruhe und Erholung bekäme. Mir ist niemals in meinem Leben etwas dermaßen stressig vorgekommen: das Antragsformular für Robbies Pass auszufüllen, ohne über die Ränder zu schreiben; ihn in einer Fotokabine so hochzuhalten, dass er die richtige Größe, Form und Farbe hatte; anständige, gesetzestreue Bürger zu finden, die seine Identität auf der Rückseite der Fotos bestätigen konnten; an einer Passstelle für dringende Fälle irgendwo in der Stadt anzustehen, während er brüllte; Kleider für zwei Personen statt für eine zu packen – Windeln und Reinigungstücher und Sachen, die ich noch nie zuvor gepackt hatte; in einer Schlange am Flughafen zu stehen, während meine Eltern ihre Besorgnis nicht ganz verhehlen konnten.
    Wir wohnten in einem Fünfsternehotel mit Pool und einem preisgekrönten Restaurant samt atemberaubender Aussicht über den Comer See.
    Es war schrecklich, und ich war schrecklich. Ich zankte mich mit dem Geschäftsführer des Hotels über die Klimaanlage, mit dem Busfahrer, weil er mir nicht geholfen hatte, den Kinderwagen in den Bus zu hieven, und mit Mum und Dad über alles andere. Es war das Gegenteil von Ruhe und Erholung.
    Als wir aus Italien zurück waren, folgte ich dem Rat meiner Mutter und lud meine pränatalen Freundinnen ein. Wir waren alle im selben Alter, hatten Berufe und unser eigenes Lebensumfeld. Bei den Treffen während unserer Schwangerschaften hatten wir die ganze Zeit gekichert.
    Aber als sie eintrafen, fühlte
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