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Fummelbunker

Fummelbunker

Titel: Fummelbunker
Autoren: Sonja Ullrich
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gewesen, der Bolkers Auftraggeber mit den prekären Informationen, die niemand wissen sollte, versorgte. Er hatte die Lage falsch eingeschätzt. Genau wie ich; ansonsten hätte ich meine Wohnung nicht mehr betreten und wäre Bolker dadurch nicht in die Arme gelaufen.
    »Ich verstehe einfach nicht, warum du ihn in Schutz nimmst«, nölte Olaf.
    »Er hat seine Strafe abgesessen.«
    »Er hat einen Menschen getötet!«, platzte es aus meinem Bruder heraus. Dann wurde es kurz still. »Entschuldige.«
    Ich seufzte. »Danke, dass du mich daran erinnerst.«
    »Bei dir war es Notwehr«, fügte er schnell hinzu.
    »Komm. Lass gut sein. Eigentlich wollte ich mit dir über Boris sprechen. Und über den Fummelbunker. Ich dachte, ich könnte morgen Abend diesen Laden genauer unter die Lupe nehmen.«
    »Boris und ich saßen immer am gleichen Tisch. Wir haben Roulette gespielt. Ich komme mit, dann zeige ich es dir.« Mit einem Augenrollen legte ich auf. Das konnte ja heiter werden.
     
    Es war irgendwann nach zehn Uhr morgens, als ich am nächsten Tag das Büro von Tozduman Securities betrat. Die Detektei war in einem klassischen Ladenlokal auf der Voedestraße in Wattenscheid untergebracht. Es war eingepfercht zwischen einem molchgrünen Wohnreihenhaus und einem Tabak- und Zeitschriftenladen mit Schlüsseldienst und Schuhreparaturservice. Die Räumlichkeiten bestanden aus einem hellen Quader mit ausladenden Schaufenstern, die bis unter die Decke reichten. Letzte Woche hatte Metin weiße Lamellenvorhänge vor den Fenstern anbringen lassen, damit er, wie er sagte, ungestört seine Fußnägel schneiden konnte. Seitdem lungerten zahllose alte Leute vor den Fenstern herum in der Erwartung, dort auf einen jungen unverbrauchten Allgemeinmediziner zu treffen. Im Büro standen drei Schreibtische, ein Computer und ein debiles Klimagerät aus dem Zeitalter, in dem man FCKW noch für die beste Entdeckung nach dem Cholesterinspiegel hielt. Nebenan befanden sich ein winziges Unisex-Klo sowie ein Nebenraum mit Pantryküche und Metins patinagrünem Waffenschrank, für den nur er einen Schlüssel hatte.
    Die Lamellenvorhänge flatterten im waagerechten Wind der Klimaanlage. Metins gedrungener Körper war über die Tastatur gebeugt, seine Topflappenstirn reflektierte das Bildschirmflackern. Corinna Gläser, unsere Auszubildende und Sekretärin, war wie jeden Montag in der Berufsschule.
    »Moin«, begrüßte ich meinen Chef. »Ich brauche Urlaub.«
    Wie eine Sprungfeder schnellte sein Körper hoch. »Warum?«
    »Mein Onkel ist gestorben.«
    »Was ist mit ihm passiert?«
    »Er ist tot vom Klo gefallen.«
    Misstrauisch kniff er die Augen zusammen. »Du willst mich verscheißern.«
    »Nein, wirklich!«
    Mit gerunzelter Stirn stellte er sich vor dem Klimagerät auf. Er trug eine knielange schwarze Hose und ein halbärmeliges schwarzes Hemd. Der Wind preschte gegen seine Waden und seine schwarzen Körperhärchen flatterten wie tote Fliegenbeine.
    »Wie lange?«
    »Zwei Wochen.«
    Er starrte mich an. »Vergiss es. So viel würde ich dir nicht mal geben, wenn deine Mama höchstpersönlich den Löffel abgegeben hätte.« Er verschränkte seine dicklichen Arme vor der Brust und musterte mich. »Was sehe ich denn da? Rote Bäckchen?«
    Ich drehte meine Birne weg.
    »Du lügst doch! Was geht da wirklich bei dir ab?«
    Ich stöhnte: »Es ist was Familiäres.«
    »Wer?«
    »Mein Bruder.«
    Metin nahm einen tiefen Atemzug und sein bulliger Bauch blähte sich zu einem strammen Ballon auf. »Der Zeitungsjunge? Mann, Rollo. Mach mir keinen Kummer. Wenn ihr beiden zusammenhängt, kommen immer nur Fisimatenten raus.«
    »Kein Foto von mir in der Zeitung, kein Artikel über die Detektei. Versprochen.«
    Er kratzte sich am Kopf. »Du kriegst eine Woche. Kommt mir ganz recht, so kannst du dich auch gleich für mich auf die Lauer legen. Nur ein Stündchen am Tag.«
    »Worum geht’s?«
    Metin kehrte mir den Rücken zu, beugte sich über die Tischplatte und öffnete die Schublade. Er gab mir ein Schwarz-Weiß-Foto. Auf dem Bild war ein Mann mittleren Alters zu sehen, wahrscheinlich Ende 30. Er war gut gepolstert, über seiner Oberlippe wuchs eine dichte Schnodderbremse. Seine Augenbrauen waren zusammengewachsen, seine Locken auf dem Kopf ähnelten der einschlägigen Flippers-Schlagersängerfrisur. Auf seinem Schoß saß ein schlaksiger Schuljunge mit wahrscheinlich selbst geschnittenem dunklem Pony. Seine Augen stierten intensiv durch die windschiefen Haarspitzen. Anhand
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