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Fummelbunker

Fummelbunker

Titel: Fummelbunker
Autoren: Sonja Ullrich
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hielt die Polizei den Daumen drauf. Immerhin gehörte dein Bekannter zum MEK.«
    Ich riss die Augen auf. »Mobiles Einsatzkommando?«
    »Wusstest du das nicht?«
    Ich schüttelte den Kopf und Olaf nieste auf seine Schulter. Ich nahm ihm die Dokumente ab und drückte sie fest an meine Brust. Ich wollte keine Zeile lesen, ehe ich nicht zu Hause war.
    Klammheimlich ließen wir Mutti mit ihrer Fluppe allein. Olaf begleitete mich zum Twingo, indem er mühselig einen Fuß vor den anderen schubste, sein Kopf hing tief zwischen den Schultern. Er war schon immer der wehleidigere von uns beiden gewesen.
    »Du wolltest mich um etwas bitten«, sagte ich, als wir das Gartentor erreichten.
    Olafs Kopf zuckte und ich nahm an, dass es ein Nicken war.
    »Es geht um einen Arbeitskollegen«, begann er. »Boris Bäcker.«
    »Boris Becker, wie der Tennisspieler?«
    »Nein, Boris Bäcker. Mit ä.« Er holte ein Foto aus der Tasche. »Wir haben seit Freitag nichts mehr von ihm gehört.«
    Ich warf einen Blick auf die Aufnahme. Sie zeigte einen Mann in seinen 50ern mit einem schmalen Gesicht sowie einer lang gezogenen, herabsinkenden Nase. Seine Augen standen eng beieinander. Er trug einen Dreitagebart, ein paar braune Strähnen fielen ihm in die Stirn. Tiefe Falten schmückten sein Gesicht. Seiner Kopfform zufolge tippte ich auf einen schlanken Körper unterhalb der Schnittkante.
    »Inwiefern habt ihr nichts von ihm gehört?«
    Olaf sah hoch und blinzelte gegen die Sonne. »Er ist am Freitag nicht mehr nach Hause gekommen. Er öffnet die Tür nicht, geht nichts ans Telefon oder ans Handy. Sein Auto ist weder zu Hause noch bei der Redaktion. Seine Freundin hat auch nichts von ihm gehört.«
    »Das hört sich nicht gut an«, beschied ich.
    Er nickte traurig.
    »Gibt es jemanden, der ihm etwas antun möchte?«
    Olafs Lider klappten hoch und seine Pupillen verengten sich. Es hatte den Anschein, als ob er mit so einer Frage nicht gerechnet hätte.
    »Zuletzt hat er an einem Bericht über den neuen Fummelbunker in Lütgendortmund gearbeitet. Er war der festen Überzeugung, dass dieses Casino alles andere als zimperlich mit seinen säumigen Schuldnern umgeht.«
    Ich kannte das Casino. Vor drei Jahren war es gegenüber der alten Ritterbrauerei am Hellweg erbaut worden, in puncto Größe und Laufkundschaft steht es dem Casino Hohensyburg in nichts nach.
    »War Boris schon einmal dort?«
    »Sehr häufig sogar. Ich habe ihn hin und wieder begleitet.«
    »Du warst in einem Casino?« Ich runzelte die Stirn. Olaf hat schon immer einen großen Bogen um alles gemacht, was in irgendeiner Weise zu einer Abhängigkeit führen konnte. Dazu gehörten Nikotin, Alkohol und Medikamente, aber auch Süßigkeiten, Internet und Fast-Food-Restaurants. Olaf lebte ein langweiliges Leben.
    »Ich habe dort aber kaum mehr als 50 Euro gelassen – ihm zuliebe«, fügte er schnell hinzu.
    »Und woher hat Boris diese Informationen über das Casino und ihre Schuldner?«
    »Ein Typ wollte Klage wegen Körperverletzung gegen das Casino einreichen, weil irgendwelche Türsteher ihn rausgeprügelt hätten. Aber es gab nie eine Anklage. Irgendwann ging er zu Boris, um den Vorfall medienpräsent zu machen.«
    »Dazu ist es aber nicht mehr gekommen«, schloss ich ab.
    Olaf guckte mich sparsam an.
    »Ich werde mich mal umschauen.« Ich drückte seinen Arm. »Was sagt denn die Polizei dazu?«
    »Boris’ Freundin hat in Dortmund am Samstag die Vermisstenanzeige gestellt. Ich glaube nicht, dass sie etwas von seinen Recherchen weiß. Bei uns in der Redaktion hat die Polizei auch nur die obligatorischen Fragen gestellt, wo er wann zuletzt gesehen wurde. Kann sein, dass sie früher oder später nach seiner Arbeit fragen, aber ich hoffe, die lassen sich damit noch etwas Zeit.«
    »Warum?«
    »Boris hat an sehr vielen schäbigen Dingen gearbeitet. Auch freiberuflich für irgendwelche Käseblätter. Es wäre besser, wenn seine Familie nichts davon erfährt.«
    Sein Ton wurde barsch, was mir signalisierte, dass er nicht vorhatte, über ›schäbige Dinge‹ mit mir zu sprechen. Daher tat ich seinen Satz mit einem Nicken ab. Vorerst.
    Ein glockenhelles, beinahe irres Lachen störte unsere Unterhaltung. Olaf blickte an meiner Schulter vorbei. Ich drehte mich um und sah die Mädchen; sie hoppelten in rasender Geschwindigkeit auf uns zu. Ihre Haare flogen in alle Himmelsrichtungen, ein Grinsen war auf ihre Gesichter gemeißelt. Als sie uns erreichten, keuchten und lachten sie, hüpften wie
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