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Fummelbunker

Fummelbunker

Titel: Fummelbunker
Autoren: Sonja Ullrich
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aufgedrehte Schoßhündchen, ihre Wangen puterrot.
    »Was ist denn mit denen los?« Olaf begutachtete die Kinder mit einem scharfen Blick. »Die sind ja total überzuckert.«
    »Ich habe ihnen ein paar Gummibärchen mitgebracht«, erwähnte ich eher beiläufig.
    »Oh Mann. In dem Zustand bekomme ich die doch nie ins Auto. In einer halben Stunde muss ich sie zurückbringen. Heike wird mir eine Szene machen.«
    Heike war Olafs Exfrau. Die beiden teilten sich das Sorgerecht und Olaf durfte die Mädchen fast jedes Wochenende zu sich nehmen. Sie genossen die Zeit. Insbesondere wenn ihre komische Tante kiloweise Süßkram anschleppte, damit die Kleinere nicht zum Terrier wurde.
    »Wir telefonieren heute Abend noch einmal«, schloss ich unsere Unterhaltung ab, umrundete meinen Twingo und ließ Olaf mit seinen überzuckerten Töchtern am Gartentor zurück. Die Verzweiflung stand ihm ins Gesicht geschrieben, doch ich konnte ihm nicht helfen. Was Kinder betraf, reichten meine Kompetenzen nur von Gummibärchen bis hin zum klassischen Schokoriegel. Doch das war das Letzte, was er augenblicklich brauchte.
    Ich setzte mich hinters Lenkrad, warf das Papier auf den Beifahrersitz und machte mich aus dem Staub.

2.
    Der warme Wind pfiff durch das gekippte Fenster ins Wohnzimmer und blies die Vorhänge auf. Spärliche Sonnenstrahlen stahlen sich durch die Ritzen der halb hoch gelassenen Rollläden und schlugen in sattem Gelb auf den dunklen Parkettboden auf. Es war gerade mal drei, aber bei mir zu Hause herrschte bereits Geisterstimmung. Ich fläzte quer über meinem Zweisitzer. Der Korpus war aus Holz, mit Schaumstoff und Mikrofaser überzogen. Wulstige Nähte zierten den Stoff der beiden Rückenkissen. Sie waren letzten Monat mit einem Jagdmesser aufgeschlitzt und von meiner Mutter wieder zusammengenäht worden. Mittlerweile machte mir ihr Anblick keine Angst mehr. Genauso wenig wie ich einen Gedanken daran verlor, dass einige Tage nach dem Vorfall eine Leiche auf dem Sofa gesessen hatte. Damals hatte ich gedacht, ich könnte mich hier nie wieder wohlfühlen. Aber es war wohl eher eine Sache der Gewohnheit als der Überwindung, obschon ich nicht behaupten konnte, dass Leichen in meiner Wohnung zur Gewohnheit wurden.
    Ich blätterte durch die Archivunterlagen der WAZ, die Olaf mir gegeben hatte. Ein mulmiges Gefühl begleitete mich dabei, denn ich hatte bereits eine leise Ahnung von dem, was mir zwischen den Zeilen auffallen sollte.
    Vor mehr als einem Monat hatte mich Metin einer Schattengestalt ohne bürgerlichen Namen vorgestellt. Gregor, auch Panko genannt, war Anfang 40, maß meine Körpergröße und schmückte seine grünen Augen mit einer wuchernden schwarzen Kopf- und Gesichtsbehaarung. Sein Körper war drahtig, sein Geist jähzornig. Einige Tage nach unserem Kennenlernen hatte er gleich zweimal eine geladene Waffe auf mich gerichtet und mir ein Veilchen verpasst. An schlechten Tagen trank er sich die Sonne eckig. Er hatte rechtsextremistische Tätowierungen auf der Haut und inhalierte mehr Teer, als es die Schlaglöcher der Stadt vertragen konnten. Trotzdem hatte ich ihn gemocht und mich in seiner Gegenwart eine Zeit lang sicherer als anderswo gefühlt. Das alles änderte sich schlagartig, als ich seinen bürgerlichen Namen aufschnappte und mich durch seine Vergangenheit googelte. Von da an ging es mit unserer Freundschaft rapide bergab, bis er letzten Endes in den Tiefen des Ruhrgebiets verschwand, ohne sich von mir zu verabschieden. Seit drei Wochen gab es kein Lebenszeichen mehr von ihm und hätte Metin mir nicht die Sache mit dem Auslandsaufenthalt zugesteckt, hätte ich früher oder später angenommen, er sei tot.
     
    Ich sortierte die Artikel chronologisch und begann mit einem Auszug aus der Sonntagsausgabe im März 1999. Julia Pankowiak war 27 Jahre alt, als sie sich wegen eines BePo-Einsatzes beim G8-Gipfel in Köln aufhielt. In einem Nachruf beschrieb ein Reporter sie als eine hoch motivierte Polizistin, die in die Fußstapfen ihres Vaters treten und Zugführerin einer Einsatzhundertschaft werden wollte. In der Zwischenzeit lebte sie für den Streifen- und Bereitschaftsdienst und suchte gezielt den Kontakt zu den Bürgern. Ein Kontakt, der ihr in Köln zum Verhängnis werden sollte.
    Alles hatte nach einem harmlosen Streit zwischen drei Männern ausgesehen. Sie waren teilweise alkoholisiert und von den Schimpfwörtern, die sie sich unentwegt an die Köpfe warfen, angespitzt. Julia hatte sich von ihrem Zug mit der
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