Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch
Autoren: Wiley Cash
Vom Netzwerk:
Badezimmer und rubbelte mir gerade mit einem Handtuch die Haare trocken, als ich das Telefon klingeln hörte. Ich hoffte, dass Sheila in der Küche drangehen würde. Ich warf das Handtuch auf den Klodeckel, drehte mich um und betrachtete mich im Spiegel. Derselbe Anblick wie immer: graues Haar, weißer Bauch, knochige Arme.
    »Gehst du mal dran?«, rief ich, aber Sheila sagte nichts, und ich dachte mir, dass sie einfach abwartete, bis ich das übernahm. Ich ging ins Schlafzimmer, setzte mich aufs Bett und nahm den Hörer vom Telefon auf dem Nachttisch ab.
    »Hallo?«
    »Sheriff, ich bin’s, Robby.« Ich seufzte so laut, dass er es hören musste. »Ich weiß, Sie sind schon fast auf dem Weg ins Büro, aber ich dachte, ich sag Ihnen lieber sofort, dass Julie Hall gerade angerufen und um Polizeischutz gebeten hat. Sie will ein paar Sachen von zu Hause holen, und sie hat gesagt, sie fühlt sich nicht sicher, wenn ihr Mann da ist. Wenn Sie wollen, fahr ich hin, aber ich dachte, ich ruf Sie an, falls Sie das lieber selbst übernehmen möchten.«
    »In Ordnung«, sagte ich. »Ich ruf sie an und sag ihr, dass ich bei ihr zu Hause auf sie warte.«
    »Alles klar«, sagte er. Ich legte auf und rief dann bei Adelaide Lyle an, um zu fragen, ob Julie bei ihr war, und Miss Lyle meldete sich augenblicklich, als hätte sie am Telefon gesessen und auf meinen Anruf gewartet.
    »Morgen«, sagte ich. »Sheriff Barefield hier …« Weiter kam ich nicht, weil sie mir auch schon ins Wort fiel.
    »Sie müssen sofort zu Ben Halls Farm fahren«, sagte sie. »Die beiden sind vor einer Minute abgefahren.«
    »Nicht so schnell«, sagte ich. »Wer ist losgefahren? Von wem reden Sie?«
    »Julie«, sagte sie. »Chambliss hat sie gerade hier abgeholt. Die sind jetzt auf dem Weg zur Farm, um ihre Sachen zu holen. Sie hat gesagt, sie wollen heute noch die Stadt verlassen.«
    Ich sagte, ich würde mich sofort auf den Weg machen, legte auf und rief im Revier an.
    »Ja, Sir?«, sagte Robby.
    »Kommen Sie zu Ben Halls Farm«, sagte ich. »Und zwar so schnell Sie können.« Ich knallte den Hörer auf die Gabel und stand auf. Sheila stand an der Tür. Sie hatte in jeder Hand eine Tasse Kaffee.
    »Was ist passiert?«, fragte sie.
    »Noch nichts«, sagte ich. »Aber das kann sich schnell ändern.«

23
    Jess Hall
    »Aufwachen, Jess«, sagte jemand. Ich spürte eine Hand, die mich leicht an der Schulter rüttelte, damit ich die Augen öffnete. Ich drehte mich von der Hand weg auf die andere Seite, zog mir die Bettdecke über den Kopf und drückte die Augen fest zu, um das Licht nicht reinzulassen, das durchs Fenster kam.
    »Wach auf«, hörte ich Daddys Stimme sagen. »Du bist schon zu spät dran für die Schule. Wach auf.« Er legte mir seine Hand auf den Rücken und stupste mich, und ich schaukelte im Bett ein bisschen auf und ab. Dann zog er mir die Decke vom Kopf, und die Sonne kam durchs Fenster und traf mich in die Augen.
    »Ich bin wach«, sagte ich, aber ich wusste, dass er mir nicht glaubte, weil ich die Augen noch immer zu hatte.
    »Du hast keine Zeit zum Frühstücken mehr«, sagte er. »Wir müssen gleich los.«
    »Ja gut«, sagte ich, aber ich hatte die Augen noch immer zu. Ich hörte, wie er durch den Flur in sein und Mamas Schlafzimmer ging. Ich drückte die Augen so fest zu, wie ich konnte. Und schon döste ich wieder ein.
    »Steh auf, Jess!«, brüllte er aus seinem Zimmer, aber ich hatte mir die Decke wieder über den Kopf gezogen und war schon fast wieder richtig eingeschlafen, ehe ich mitbekam, was er da drin sagte. Ich fand es irgendwie nicht richtig, dass Daddy mich wecken kam, und ich wünschte mir, dass Mama da wäre, um das zu machen. Ich wünschte mir auch, dass Stump da wäre, damit er vor mir aufstehen und als Erster ins Bad gehen würde, damit ich die Augen noch ein kleines bisschen länger geschlossen halten könnte. Ich lag da und dachte darüber nach und döste schon wieder ein.
    Ich hörte ein Auto von der Straße in die Einfahrt biegen, und ich hörte den Schotter unter den Reifen knirschen und von den Kotflügeln abprallen.
    Ich hörte die nackten Füße von meinem Daddy auf dem Flur, und ich hatte Angst, er würde reinkommen und mich aus dem Bett zerren, aber stattdessen ging er weiter, und ich hörte, wie er die Fliegentür öffnete. Sie knallte hinter ihm zu. Von dem Geräusch wurde ich wach, und ich schlug die Augen auf und blickte in die Dunkelheit unter der Bettdecke. Ich lauschte, ob mein Daddy wieder ins Haus kam, um
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher