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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch
Autoren: Wiley Cash
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wusste, dass er noch vor der Tür stand, und ich wartete, bis ich ihn die Verandastufen hinunter in den Garten stolpern sah. Er war sturzbetrunken, und als er unten ankam, rutschte er aus und landete auf dem Hintern im nassen Gras. Ich sah zu, wie er in seinen Pick-up stieg, und dann setzte er den Wagen zurück und raste los übers Gras und schleuderte mir noch mehr Dreck gegen die Fenster. Ich starrte den Rücklichtern hinterher, bis ich sie nicht mehr sehen konnte, und dann schaltete ich das Außenlicht aus und überprüfte noch einmal, ob die Tür auch abgeschlossen und die Kette fest vorgelegt war, um sicherzugehen, dass er nicht reinkonnte, falls er zurückkam.
    Als ich mich umdrehte, sah ich Julie vor der Tür zu ihrem Zimmer stehen. Sie musste zurückgekommen sein, während ich geschlafen hatte. Sie hatte schon ihr Nachthemd an und das Haar offen herabhängen, als wäre sie auf dem Weg ins Bett gewesen. Ich konnte ihr Gesicht kaum sehen, weil sie vor dem Licht stand, das aus meinem Schlafzimmer kam.
    »Julie?«, sagte ich.
    »Ich hab gehört, was er gesagt hat«, sagte sie. »Wir sind hier nicht mehr sicher. Wir müssen von hier weg.«
    »Wer wir?«, fragte ich.
    »Ich und der Pastor«, sagte sie. »Wir sind nicht mehr sicher. Und alle versuchen, uns auseinanderzubringen.«
    Ich lehnte mich gegen die verschlossene Tür und sah sie bloß an, wie sie da vor dem Zimmer in ihrem Nachthemd stand.
Gütiger Gott, Mädchen
, dachte ich.
Was in aller Welt willst du jetzt machen?
Sie ließ mich nicht lange auf eine Antwort warten.

    Früh am nächsten Morgen hörte ich Julie ins Telefon in der Küche flüstern. Ich stand auf der anderen Seite der Tür und lauschte, konnte aber nicht genau verstehen, was sie sagte. Sie legte auf, und als sie die Tür öffnete, stand ich direkt vor ihr. Ich war noch im Nachthemd, aber sie war schon angezogen. Sie wirkte überrascht, mich zu sehen, als fühlte sie sich bei irgendwas Verbotenem ertappt. Wir blickten einander an.
    »Du glaubst doch nicht, dass Ben das ernst gemeint hat, oder?«, fragte ich. »Was er gestern Abend gesagt hat. Zu so was ist er doch gar nicht fähig.«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich hab ihn noch nie so erlebt, und ich hab ihn auch noch nie so was sagen hören.«
    »Ein betrunkener Mann sagt so einiges«, sagte ich. »Deshalb muss er das noch lange nicht so meinen.«
    »Sie kennen ihn nicht so wie ich«, sagte sie. »Sie wissen nicht, wozu er fähig ist.« Sie ging an mir vorbei in ihr Zimmer, und ich drehte mich um und folgte ihr. Als ich ins Zimmer kam, sah ich, dass sie das Bett gemacht hatte und ihr Koffer geschlossen auf der Steppdecke stand. Ich warf einen Blick auf den Koffer und schaute dann sie an. Sie trat zum Bett und hob den Koffer am Griff hoch.
    »Du gehst?«, fragte ich.
    »Ja, Ma’am«, sagte sie. »Ich muss. Nach dem, was Ben da gestern Abend gesagt hat, nach allem, was passiert ist.«
    »Mit wem hast du da vorhin telefoniert?«, fragte ich. »Hast du den Pastor angerufen, damit er dich abholen kommt?«
    »Nein«, sagte sie. »Ich hab im Büro des Sheriffs angerufen. Ich möchte, dass jemand dabei ist, wenn ich meine Sachen von zu Hause hole.«
    »Julie«, sagte ich, »das würde ich an deiner Stelle nicht machen. Du hast gehört, was er gestern Abend gesagt hat. Bitte, fahr nicht dahin.« Sie sah mich an, und dann ging sie auf mich zu und streifte mich an der Schulter auf dem Weg aus dem Schlafzimmer.
    »Genau deshalb hab ich doch den Sheriff angerufen«, sagte sie. Ich folgte ihr ins Wohnzimmer. Sie blieb an der Haustür stehen und stellte den Koffer neben sich ab, dann schloss sie die Tür auf und löste die Kette. Sie nahm ihren Koffer wieder und öffnete die Tür. »Ich danke Ihnen für alles«, sagte sie. »Und ich hoffe, ich kann mich irgendwann für Ihre Freundlichkeit revanchieren.« Sie drückte die Fliegentür auf und trat auf die Veranda. Die Tür schlug hinter ihr zu. Ich hörte draußen in der Einfahrt einen Automotor laufen.
    »Julie«, sagte ich, aber sie war schon fort. Ich ging zur Fliegentür und blickte nach draußen und sah Chambliss in der Einfahrt stehen. Er hatte die hintere Tür auf der Beifahrerseite seines Autos geöffnet und stellte gerade Julies Koffer auf die Rückbank. Julie stieg vorne ein und schloss die Tür. Chambliss knallte die hintere Tür zu und sah zu mir hoch. Er nickte. Dann lächelte er.
    »Schwester Adelaide«, sagte er.

22
    Clem Barefield
    Ich stand am Freitagmorgen noch in der Unterhose im
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