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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch
Autoren: Wiley Cash
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wahrscheinlich nie einer vorgelesen. Falls doch, habt ihr wohl lieber weggehört. Aber ich wollte, dass du den Vers hörst. Ich wollte ihn dir sagen.«
    Ein Geräusch kam aus dem Haus, und aus den Augenwinkeln sah ich die Fliegentür aufschwingen und Jess auf die Veranda kommen. Ehe ich ihm zurufen konnte, er sollte zurück ins Haus gehen, knallte die Fliegentür zu und Ben wirbelte mit der erhobenen Flinte zu Jess herum. Ich reagierte, ohne drüber nachzudenken, und schoss einmal und erwischte Ben rechts am Hals. Er ließ die Flinte fallen und kippte rückwärts auf den Schotter. Ich hörte Jess auf der Veranda losschreien, und ich wusste, dass er es gesehen hatte.
    »Ganz ruhig, Jess«, rief ich ihm zu. »Bleib, wo du bist. Warte da auf mich. Ganz ruhig.« Er schrie weiter etwas, das ich nicht verstehen konnte, und dann schlang er sich die Arme um den Bauch und kauerte sich auf der Veranda hin.
    Ich hielt die Pistole weiter schussbereit und richtete sie vorn auf Chambliss’ Auto. Dann schlich ich auf die Fahrerseite, bis ich Ben daliegen sah. Seine Augen waren weit geöffnet, und seine Brust hob und senkte sich. Er atmete schwer durch den Mund, und ich konnte ein gurgelndes Geräusch aus seinem Hals hören, wo die Kugel ihn getroffen hatte. Eine Blutlache bildete sich um seine rechte Schulter im Schotter. Ich schob die Pistole ins Holster, hob die Schrotflinte auf und öffnete sie. Beide Läufe waren leer. Ich blickte zu Ben runter. »Gottverdammt«, sagte ich. »Gottverdammt, Ben.« Er starrte in den Himmel und blinzelte, als würde die Sonne ihn blenden. Ich legte die Flinte auf die Motorhaube des Autos und trat um die Beifahrertür herum.
    Julie lag auf dem Bauch, halb im Gras, als wäre sie so weit gekrochen, wie sie konnte, und als sie mich sah, schrie sie und schob sich mit den Füßen rückwärts auf den Schotter und presste den Rücken an die Seite von Chambliss’ Auto. Als sie die linke Hand hob, um sich gegen mich zu schützen, sah ich, dass die beinahe vollständig weggeschossen war. Wahrscheinlich hatte sie die Hand schützend vors Gesicht gehoben und sich geduckt, als Ben durch die Windschutzscheibe auf sie schoss. Ich wollte sie an der Schulter berühren, aber sie wich vor mir zurück. Ich hörte eine Sirene vom Highway die Straße hochkommen, und mir fiel ein, dass ich Robby als Verstärkung angefordert hatte, bevor ich das Haus verließ.
    »Keine Angst«, sagte ich zu ihr. »Es ist vorbei. Es wird alles wieder gut.« Ihre Augen blickten wild und verängstigt, und sie sah mich nicht direkt an. Ich streckte die Hand aus und nahm ihren linken Unterarm. Einige Finger ihrer Hand fehlten. »Halten Sie die Hand hoch«, sagte ich. Ich stützte ihren Ellbogen auf das angewinkelte Knie. »Schön hochhalten, genau wie jetzt. Ich geh ins Haus und ruf einen Krankenwagen.« Robby bog in die Einfahrt und hielt hinter meinem Wagen. Ich richtete mich auf, damit er mich sah. Er stieg aus und ließ seine Tür offen und kam übers Gras angelaufen, blieb aber wie angewurzelt stehen, als er Julie an dem Auto sitzen sah. Er schaute hinein und sah Chambliss’ Körper quer über dem Vordersitz liegen.
    »Was zum Teufel ist denn passiert?«, fragte er. Er zog seine Pistole.
    »Stecken Sie die wieder weg«, wies ich ihn an. Ich deutete auf Julie. »Bleiben Sie bei ihr«, sagte ich. »Passen Sie auf, dass sie den Arm hochhält. Ich geh rein und ruf einen Krankenwagen. Sie bleiben bei ihr.« Robby kniete sich neben Julie hin. Ihre Brust hob und senkte sich, und sie fing an zu weinen.
    Ich blickte über die Motorhaube von Chambliss’ Auto auf Ben, der vor der Stoßstange lag. Ich hörte ihn nicht mehr würgen. Er hatte den Kopf nach hinten rechts gedreht, als wollte er zum Haus hinter sich blicken, wo Jess noch immer auf der Veranda kauerte. Bens Augen waren weit aufgerissen und gebannt auf das gerichtet, was immer er auch hatte sehen wollen.
    »Der Krankenwagen ist bald da, Ben«, sagte ich, aber kaum hatte ich das ausgesprochen, wusste ich, dass ihm das nichts mehr helfen würde.
    Ich schaute zum Haus, als ich Jess die Verandastufen runterkommen hörte. Ich wollte nicht, dass er auch seine Mutter so übel zugerichtet sah, also rannte ich die Einfahrt hoch und fing ihn ab, bevor er über den Hof laufen konnte. Ich hob ihn hoch und trug ihn zurück auf die Veranda, und er strampelte mit Armen und Beinen, als wollte er sich von mir losreißen. Irgendetwas Warmes sickerte vorn durch mein Hemd, und ich wusste, dass er sich in
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