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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita
Autoren: Polina Daschkowa
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Sportplatz,
     schlüpfte unter einem zerrissenen Volleyballnetz hindurch, lief hinaus auf die Parallelstraße und hob die Hand. Ein sandgelber
     Wolga hielt.
    »Sawjolowoer Bahnhof«, sagte Nika, setzte sich auf die Rückbank und versuchte, ihren Atem zu beruhigen.
    »Wir haben’s wohl sehr eilig?« fragte der vornehm aussehende ältere Fahrer und drehte sich um.
    »Ja. Sehr.«
    Der Wolga fuhr los, Nika lehnte sich zurück und schloß die Augen. Die Tränen liefen wie von selbst, sie konnte nichts dagegen
     tun. So entging ihr, daß ein dunkellila Lada um die Ecke gebogen kam.
     
    »Entschuldigen Sie, ich habe mich verspätet«, sagte Leontjew, als er die Wohnung der Rakitins betrat. »Leider habe ich nur
     wenig Zeit. War Sinaïda Resnikowa schon hier?«
    »Nein, noch immer nicht. Wissen Sie, wir machen uns langsam Sorgen.«
    Olga Rakitina, eine majestätische, hochgewachsene Dame mit schwerem silbergrauem Haarknoten im Nacken, begleitete den Hauptmann
     ins Wohnzimmer.
    »Sie hat vor drei Stunden angerufen«, ergänzte Rakitin.
    Leontjew registrierte, daß Nikita mehr seiner Mutter ähnelte als seinem Vater. Das Gesicht seines Vaters war runder, schwerer,
     seine Augen dunkel, seine Haar schwarzgraumeliert.
    »Wissen Sie, von wo sie angerufen hat?« fragte Leontjew und setzte sich in einen Sessel.
    »Von ihrer Freundin. Sie werden sie kaum kennen. Tee? Kaffee?«
    »Danke, Kaffee, wenn möglich.«
    Olga nickte und ging in die Küche. Die beiden Männer schwiegen eine Weile, bis Rakitin schließlich hüstelte und leise fragte:
     »Verzeihen Sie, zunächst wüßte ich vor allem eines gern: Laufen nun Ermittlungen oder nicht? In der Staatsanwaltschaft hat
     man mir eindeutig erklärt, es sei ein Unfall gewesen, darum werde es keine Ermittlungen geben.«
    »Ja, das ist so.« Leontjew nickte.
    »Aber Sie sind, wenn ich es richtig sehe, nicht einverstanden mit der offiziellen Version.«
    »Stimmt.«
    »Das heißt, Sie versuchen, auf eigene Faust zu ermitteln?«
    »Nicht ganz. Ich bin Milizbeamter und kein Privatdetektiv. Ich hole operative Informationen ein. Ich denke, der Fall wird
     aufgrund neuer Sachverhalte wiederaufgerollt werden.«
    »Wie das? Es sind doch keinerlei Spuren mehr vorhanden. Man kann nicht einmal die Leiche identifizieren, diese Sauerei mit
     der Einäscherung …«
    »Verzeihen Sie, ich würde mir gern das Arbeitszimmer Ihres Sohnes ansehen und seinen Computer überprüfen.«
    »Wie – überprüfen?«
    »Ich muß wissen, woran er in letzter Zeit gearbeitet hat.«
    »Nikita läßt niemanden an seinen Computer«, erklärte Olga, die ein Tablett mit einer Kaffeekanne und Tassen auf den Couchtisch
     stellte.
    »Olga, hör auf. Du weißt doch, es muß sein«, sagte Rakitin rasch.
    »Juri, ich habe keine Veranlassung, an die uneigennützige Hilfe von wem auch immer zu glauben«, erwiderte sie leise und bedachte
     den Hauptmann mit einem höflichen, kalten Lächeln. »Entschuldigen Sie.«
    »Nehmen Sie es ihr bitte nicht übel.« Rakitin hob entschuldigend die Hände, als sie gegangen war. »Meine Frau hat einen schweren
     Schock erlitten. Sie sollten wirklich einen Blick ins Arbeitszimmer werfen und nachsehen, was in Nikitas Computer ist. Wir
     verstehen ja nichts von diesem Gerät.«
    »Juri, kann ich dich einen Augenblick sprechen?« Olgalächelte Leontjew erneut kalt und höflich an. »Entschuldigen Sie nochmals.«
    »Woher willst du wissen, daß man dem Mann trauen kann?« hörte Leontjew sie hastig und laut flüstern. »Du siehst ihn zum erstenmal
     und willst ihn gleich an Nikitas Computer lassen. Gute, edle Milizionäre, die gibt es nur in Nikitas Büchern. Im Leben schon
     lange nicht mehr.«
    »Hör auf«, unterbrach Rakitin sie bestimmt, »man kann nicht jeden für einen Banditen halten.«
    Leontjew hatte inzwischen keine Zeit verloren und den Computer eingeschaltet. Rakitin kam ins Arbeitszimmer, schloß die Tür,
     blieb eine Weile hinter Leontjew stehen und beobachtete die wechselnden, unverständlichen Mitteilungen auf dem Bildschirm,
     schließlich sagte er: »Wir haben auf der Tastatur und auf der Maus Blutspuren entdeckt. Ebenso im Bad, auf dem Waschbecken.«
    »Haben Sie sie abgewischt?« fragte Leontjew, den Blick weiter auf den Bildschirm gerichtet.
    »Wir dachten, jetzt würde sowieso niemand mehr eine kriminalistische Untersuchung der Wohnung vornehmen oder wie das heißt.
     Es ist zu viel Zeit vergangen, außerdem bin ich sicher, daß alle fremden Fingerabdrücke abgewischt
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