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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita
Autoren: Polina Daschkowa
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abend?«
    »Heute abend fliege ich in Urlaub.«
    »Na gut. Ich bin in zwanzig Minuten bei Ihnen.«
    Es ist offenbar wirklich wichtig, wenn er extra gestern abend angerufen hat, entschied Leontjew. Rede ich eben anschließend
     mit den Rakitins.
    Lukjanow wirkte noch erschöpfter und düsterer als beim erstenmal. Er reichte Leontjew schweigend ein Blatt Papier – sein Gutachten.
     Daraus ging hervor, daß Soja Astachowa eines gewaltsamen Todes gestorben war.
    »Bei detaillierter Untersuchung habe ich in der Mundhöhle eine Kissenfeder entdeckt«, sagte er dumpf. »Es handelt sich also
     mit hoher Wahrscheinlichkeit um mechanische Erstickung. Auch andere Indizien sprechen für einen rasch eingetretenen Tod, zum
     Beispiel kleine Blutergüsse im Bindegewebe der Augen, dunkles, flüssiges Blut, die Durchblutung der inneren Organe. Jedenfalls
     – Ihre Zeugin hat keine Tabletten genommen. Sie wurde erstickt, still und akkurat. Bei der Blutmenge im Alkohol dürfte das
     nicht weiter schwierig gewesen sein. Im übrigen ist im Protokoll auch kein Wasserglas erwähnt.«
    Leontjew begriff nicht. »Wie bitte?«
    »Soll sie etwa eine solche Menge Kapseln mit Wodka runtergespült haben? Warum ist das der Spurensicherung nicht gleich aufgefallen?«
    »Ich danke Ihnen, Doktor Lukjanow.« Leontjew drückte die harte, kalte Hand des Doktors. »Sie haben mir sehr geholfen. Danke.«
     
    »Ich bitte Sie, gehen Sie ran«, sagte Kostik zum zehntenmal und wollte Nika das Mobiltelefon aufdrängen. Vor zehn Minuten
     hatte er selbst Russow angerufen und ihm mitgeteilt, was passiert war.
    »Mein Kind, hör mir zu, warum glaubst du nicht, daß es ein bloßer Zufall war? Wenn sie dir gesagt hat, ich hätte ihr am Telefon
     gedroht – das stimmt nicht, das heißt, ich war vielleicht ein bißchen hitzig …« Grischa schrie so laut, daß sie jedes Wort
     hörte, obwohl Kostik den Apparat noch in der Hand hielt. Seine andere Hand umklammerte Nikas Schulter. Stassik war auch schon
     da, der Mercedes stand mit offener Tür neben ihnen.
    »Na schön, dann glaubst mir eben nicht, aber überleg doch mal: Hätte ich das direkt vor deinen Augen getan? Komm zu dir, Nika!«
    Sie war bereits zu sich gekommen. Sie wußte, was jetzt das wichtigste war: Nicht in den Wagen zu steigen.
    »Ja, Grischa. Ich glaube dir«, sagte sie ruhig ins Telefon, »reg dich nicht auf. Aber ich bitte dich sehr, erkär den beiden,
     daß ich jetzt allein sein muß. Nicht lange. Kann ich dich darum bitten?«
    »Nika, ich verstehe dich ja, aber versteh bitte auch mich. Das ist gefährlich. Außerdem verpaßt du dein Flugzeug.«
    »Ich muß zu Nikitas Eltern, wenigstens für ein paar Minuten. Ich bin ganz in der Nähe. Sie warten auf Sina. Ich muß ihnen
     Bescheid sagen, und überhaupt, ich muß sie sehen, wenn ich schon nicht zur Beerdigung kann.«
    »Nein, Nika. Das ist unmöglich. Dein Flug geht in anderthalb Stunden.«
    »Grischa, verstehst du denn nicht, daß ich zwei enge Freunde verloren habe?« fragte sie ganz ruhig.
    »Natürlich, mein Mädchen, natürlich, ich weiß, wie weh dir das tut, aber das geht vorbei. Du mußt weiterleben. Jetztkommst du erst mal zurück, und dann fährst du gleich in die Schweiz, zu Mitja. Er hat heute früh angerufen.«
    »Laß uns das später besprechen, Grischa. Jetzt muß ich allein sein.«
    »Aber ich sage doch: Das ist unmöglich.«
    »Ich bin schließlich nicht verhaftet. Ich kann dir nicht vertrauen, wenn ich auf Schritt und Tritt überwacht werde. Das ist
     beleidigend – für mich und für dich auch.«
    Er schwieg ziemlich lange, dann hüstelte er und sagte: »Du wirst nicht überwacht, du wirst bewacht. Gut. Gib mir mal Kostik.«
    »Ja. Ich verstehe. Ja, natürlich.« Nach einem kurzen Monolog seines Chefs nickte Kostik und gab Nika das Telefon zurück.
    »Du kannst zu Nikitas Eltern gehen. Aber nur für ein paar Minuten. Sonst verpaßt du dein Flugzeug. Die Jungs werden vor der
     Tür im Auto auf dich warten.«
    »Danke, Grischa.« Sie unterbrach die Verbindung und warf das Telefon durch die offene Autotür auf den Rücksitz.
    Auf dem Platz ging das normale Leben weiter, die kleine Gruppe Gaffer hatte sich zerstreut, der Krankenwagen war mit Sina
     weggefahren, der Verkehr rollte wieder.
    »Wir fahren Sie zum Haus«, bot Kostik freundlich an, doch Nika war schon losgesaust, ohne sich umzusehen. Die Tasche hing
     schwer an ihrer Schulter. Im Hof der Rakitins rannte sie zwischen Blechgaragen hindurch, überquerte einen kleinen
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