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Für immer tot

Für immer tot

Titel: Für immer tot
Autoren: Bernhard Aichner
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wieder aufgewacht, als er den Deckel zugemacht hat.
    – Wer, Tilda? Wer macht so etwas?
    – Leopold Wagner.
    – Was redest du da, Tilda? Sag mir, dass das ein Scherz ist, dass du unten in deiner Wohnung bist, dass dir nichts passiert ist, sag es mir.
    – Er will, dass ich hier sterbe.
    – Das kann doch alles nicht sein.
    – Doch, Max.
    – Wann ist das passiert?
    – Vielleicht vor drei Stunden, ich weiß es nicht, Max. Ich bin vor dem Fernseher eingenickt, ich habe nur die Schritte gehört, ich dachte, du bist es.
    – Eine Holzkiste?
    – Ich komm da alleine nicht raus, Max, er hat Erde auf die Kiste geschaufelt, es ist dunkel hier, Max.
    – Hast du Licht?
    – Nur das Handy, die Tasten leuchten.
    – Ich hol dich da raus.
    – Ich habe keine Ahnung, wo ich bin, Max.
    – Wer ist dieser Wagner?
    – Ich bin mir sicher, dass er es war. Dieses Gesicht vergesse ich nicht.
    – Warum sollte er so etwas tun?
    – Ich habe ihn ins Gefängnis gebracht, vor achtzehn Jahren. Und jetzt hat er mich eingegraben.
    – Blödsinn, Tilda.
    – Es ist aber so.
    – Scheißdreck, verdammter Scheißdreck.
    – Ja, Max.
    – Warum hat er dir das Handy gegeben?
    – Warum hast du eines, Max, ich weiß es nicht. Der Mann ist krank.
    – Bekommst du genug Luft?
    – Ja, aber meine Beine tun weh. Ich kann mich kaum rühren. Ich will hier raus, Max, schnell.
     
    Während Max mit Tilda spricht, hat Baroni im Telefonbuch verzweifelt nach Pauls Nummer gesucht, er hat ihn aus dem Bett geholt, Kriminalinspektor Paul Köber, Tildas rechte Hand, Tildas Vertrauter, Tildas Freund. Baroni hat ihm erzählt, was passiert ist, er hat so genau wie möglich wiederholt, was Tilda gesagt hat.
    Baroni hört mit einem Ohr zu, wie Paul flucht, wie er ungläubig dieselben Fragen stellt wie Max, mit dem anderen Ohr verfolgt er weiter das Unfassbare. Flüsternd bittet er Paul zuzuhören, er legt das Telefon einfach hin. Mit offenem Mund schüttelt er den Kopf. Er kann nicht glauben, was er hört.
    Max redet mit ihr.
    Nervös kaut er an seinen Fingern. Tilda schlägt sie nieder mit dem, was sie sagt, irgendwo eingesperrt, vergraben, gefangen in einer Kiste. Wie Max das Telefon anstarrt. Er kann es nicht fassen, dass jemand sie betäubt und aus ihrer Wohnung getragen hat, dass sie jemand bei lebendigem Leib begraben hat, dass jemand sie leiden lässt, mit ihr spielt. Wer tut so etwas? Warum? Warum Tilda? Sie tut keiner Fliege etwas zuleide, warum sie? Warum jetzt?
    Max stellt es sich vor, während sie redet, er sieht es vor sich, wie ein Fremder in seine Wohnung kam, während er und Baroni den Zombiefilm anschauten. Wie er das Telefon auf die Kommode legte, wie die Tür auf und zu ging, wie er sie lachen hörte auf der Terrasse. Wie er wieder nach unten ging und mit Tilda davonfuhr. Seine Stiefmutter auf einer Rückbank, ohne Bewusstsein in einem Kofferraum, dann in dieser Kiste.
    Wie eng es ist. Wie dunkel. Wie sie sich kaum rühren kann, wie sie das Telefon in der Hand hat, wie sie es fest zwischen ihren Fingern hält, weil es ihre einzige Chance ist, weil die Stimmen am anderen Ende ihr sagen, dass sie nicht allein ist, dass sie Hoffnung haben darf, dass nach ihr gesucht wird. Wie ihre Stimme zittert.
    Ihre Angst. Seine Angst.
    Wie sie ihn überschwemmt.
    Ihm die Luft nimmt.
    Seit einem halben Jahr war wieder Ruhe in seinem Leben, die Tage mit Hanni waren schön, er hatte es endlich geschafft, sie nah an sich heranzulassen, ganz. Mit ihr frühstücken, mit ihr in der Sauna, mit ihr im Würstelstand, ihr bei der Arbeit zusehen, sie anlachen, mit ihr im Bett liegen, aufwachen mit ihr, einschlafen, Haut an Haut, und immer wieder auch die Zeit ohne sie, Zeit mit sich allein, mit Baroni, mit Tilda. Sie hatte Hanni herzlich aufgenommen, auch wenn sie nicht mehr damit gerechnet hatte, dass sie in das Leben von Max zurückkommen würde.
    Schön, dass er nicht mehr allein ist, hat sie zu Hanni gesagt.
    Tilda hat sie umarmt, sie willkommen geheißen im Friedhofswärterhaus, sie haben stundenlang gewürfelt, sich gemeinsam betrunken, miteinander geredet nächtelang. Hanni und Tilda. Wie sie unten in Tildas Küche saßen, während Max und Baroni oben Unsinn trieben.
    Wie ihre Stimme jetzt weh tut.
    Wie schrecklich sie klingt, was sie sagt, was es bedeutet. Max schreit laut auf. Er flucht, er wirft die Bierflasche hinunter auf den Friedhof, er stöhnt, dass das alles nicht sein kann, dass sie ihn aus diesem Albtraum aufwecken soll.
    Sie beruhigt ihn, bittet ihn,
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