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Für immer tot

Für immer tot

Titel: Für immer tot
Autoren: Bernhard Aichner
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dass es Tildas erster großer Ermittlungserfolg war, dass ohne sie niemand erfahren hätte, dass Wagner seine Frau umgebracht hat.
    Was für ein Arschloch, sagt Max.
    Mehr als das, sagt Paul.
    – Er hat tatsächlich sein eigenes Sperma verwendet?
    – Tilda hatte Vaterschaftstests bei dreißig Frauen erwirkt. Aber sie war überzeugt, dass es noch wesentlich mehr waren.
    – Warum hat er das getan?
    – Er wollte wohl Kinder.
    – Und seine Frau war ihm dafür nicht gut genug, oder was?
    – Sie konnte keine bekommen, Max. Trotz seiner Methode, für die er landauf, landab bekannt war, die kinderlosen Paare haben ihm die Tür eingerannt damals.
    – Sein Sperma, kein Witz?
    – Nein, kein Witz.
    – Wie hat er seine Frau umgebracht?
    – Er ist mit siebzig gegen einen Baum gefahren.
    – Und?
    – Sie war nicht angeschnallt.
    – Absichtlich?
    – Sie hatten Streit, sie sagte ihm, dass sie zur Polizei gehen würde. Da hat er Gas gegeben.
    – Dieses Schwein.
    – Tilda hat ihn dazu gebracht zu gestehen, er hat ihr alles haarklein erzählt, er hat ihr genau beschrieben, wie das Gefühl war, als sie auf den Baum prallten, wie sie gegen die Scheibe flog, wie sie geblutet hat, wie sie röchelte, bevor sie starb.
    – Sau, Sau, Sau.
    – Er hatte nur ein paar Prellungen und Schürfwunden im Gesicht.
    – Offiziell war es ein Unfall?
    – Bis Tilda ihn vor Gericht brachte. Die Geschworenen hielten ihn für schuldig.
    – Sie hat sein Geständnis aufgezeichnet.
    – Nein.
    – Was dann?
    – Die Geschworenen haben ihr geglaubt. Ihr Wort stand gegen seines, sie war die Ermittlungsleiterin, er stand unter Mordverdacht.
    – Wie viel hat er bekommen?
    – Das mit den Befruchtungen war lächerlich, dafür wäre er wahrscheinlich nicht einmal ins Gefängnis gegangen. Das gilt vor dem Gesetz nur als Täuschung, keine Körperverletzung, keine Vergewaltigung, nichts, nur Täuschung. Ein Jahr bedingt, eine Geldstrafe. Er hat sich darüber lustig gemacht, über Tilda, über das System, darüber, dass ihm nichts passieren kann, dass der Staat es gut mit ihm meint, mit Menschen, die fleißig Kinder in die Welt setzen.
    – Nur ein Jahr?
    – Nur eine Geldstrafe, Max. Für diese Spermasache gibt es kein eigenes Gesetz. Auch heute noch nicht.
    – Krankes Arschloch.
    – Ein paar von den Müttern haben ihn zivilrechtlich geklagt, aber die meisten waren still.
    – Was ist mit den Kindern passiert?
    – Sie sind jetzt erwachsen.
    – Der Mann hat über dreißig Kinder gezeugt.
    – Und er musste für jedes Einzelne Unterhalt bezahlen. Alles, was er hatte, wurde zu Geld gemacht, ein kleiner Trost für die Mütter.
    – Dreißig Kinder.
    – Vielleicht waren es auch fünfzig, oder hundert.
    – Und jetzt hat er Tilda vergraben. Warum? Nach so vielen Jahren?
    Max schüttelt den Kopf.
    Eigentlich sollte er mit Hanni im Bett liegen, oder mit Baroni Unsinn reden, zusehen, wie Zombies über Gräber stolpern. Er sollte sich auf morgen freuen, la Ortega hat zu Tapas eingeladen, ein Sonntagvormittag mit Köstlichkeiten und Freunden sollte es werden. In acht Stunden sollte Schinken in ihren Mündern liegen, Artischocken in Tomatensauce, Tortilla de Gambas und Kaninchen mit Knoblauch.
    So war der Plan, doch der Plan existiert nicht mehr, alles ist jetzt anders, die Welt von Max gerät wieder ins Wanken, der Tod klopft wieder an seine Tür, laut, mit Wucht, er will wieder alles durcheinanderbringen, sein Leben, Tilda, seine Liebe, alles, was seit einem halben Jahr einfach so funktioniert. Er wird es kaputt machen, verwüsten, verletzen. Der Tod.
    Er ist mit ihm aufgewachsen, er kennt ihn, er hat gesehen, was er macht. Ein- bis dreimal im Monat schlägt er zu im Dorf, ungefähr fünfundzwanzig Tote im Jahr, fünfundzwanzig Mal der schwarze Trauermarsch, fünfundzwanzig Mal Tränen, fünfundzwanzig Mal das Leid der anderen. Jetzt wieder seines. Wie es hinter ihm steht, wie es lauert und bereit ist, sich über ihn zu legen, ihm seine Stimme zu nehmen, alles, was er hat.
    Wie sein Vater Gräber grub, als er ein Kind war. Wie auch er zu graben begann, wie er ihn eingrub. Wie das Unglück auch zu ihm kam. Zuerst seine Mutter, dann sein Vater. Er war sieben, als sie starb. Sie war einfach nicht mehr da, von einem Moment zum anderen, sie stand nicht mehr in der Küche, sie nahm ihn nicht mehr auf den Schoß, küsste ihn nicht mehr, ihre Stimme war weg, ihre Worte, ihre Hände, die über ihn strichen. Sie war einfach tot, rührte sich nicht mehr, sie lag in
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