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Fünf Schlösser

Fünf Schlösser

Titel: Fünf Schlösser
Autoren: Theodor Fontane
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manchem Unrecht geschehn ist. Freund Unruhs Fata sind wirklich sonderbar; er könnte seinen Lebenslauf schreiben, der vielleicht interessanter wäre als der von Wilhelm Meister.  
L., den 5. Oktober 13
    Du kennst meinen alten Tagelöhner Claer, dessen Sohn ich für die Landwehrkavallerie eingekleidet habe. Dieser war immer mit dabei. Rittmeister von Redern hat seinem Bruder geschrieben, daß Claer ein ganz vorzüglicher Soldat und vom Brigadegeneral zum Eisernen Kreuz vorgeschlagen sei. Bei dem Hagelsberger Gefecht ist er mit seinem Schimmel und seiner Pike der erste gewesen, der in das feindliche Quarré kam; vier Kugeln und fünf Bajonettstiche haben den Schimmel getötet, ohne den Claer zu beschädigen. Dieser kommt zu Redern und sagt: »Was ist nun zu tun, Herr Rittmeister, der Schimmel ist tot?« – »Geh zurück«, sagt Redern. Ein paar Minuten darauf sieht er ihn aber wieder auf einem aufgegriffenen Pferde im Galopp ankommen, und beim Verfolgen der Franzosen ist er, hauend und stechend, immer im dichtesten Getümmel. gewesen. An seine Eltern schrieb er, »sie sollten ihm nicht antworten, denn an der Elbe, wo sie jetzt stünden, blieben sie nicht«. Und nun erseh ich aus den Zeitungen, daß Marwitz Braunschweig überrumpelt hat. Unsre Landwehr ist also dort. Die gefangenen Franzosen, die hier durchtransportiert werden, nennen die Landwehr »Kreuzbauern« und setzen hinzu: »Viel schlimm; immer ›Bruder, schla drup‹, nicks Pardon, viel miserable.« Ein Glück, daß sie sich so in Respekt gesetzt haben.  
L., 23. Oktober 1813
    Danken wir Gott für seine Gnade. Das Maß der Untat war voll, und bei Leipzig, am 18. und 19., sind die Würfel gegen den großen Würger gefallen. Es war mutmaßlich sein Plan, den Kronprinzen von Schweden, der ihm durch seine Stellung an der Saale Unglück drohte, durch Absendung eines Corps fortzumanövrieren. Er hatte jedoch nicht gebührend in Anschlag gebracht, daß die um ihn herum stehende alliierte Armee durch eine konzentrische Bewegung ihn in einen Kreis zusammendrängen und ihn entweder angreifen oder aber ihn zwingen würde, sie anzugreifen. Überhaupt scheint der große Held einige Überreste des vorjährigen Frostes in seinem Hirn zu haben, denn in seinem hartnäckigen Bestehen auf sein ruinöses Projekt hat er Fehler begangen, die keinem Anfänger zu verzeihen sind. Es ist uns durch diese Fehler ein weiterer Beweis dafür erspart worden, daß er, ohne eine numerisch überlegene Macht, nicht der von aller Welt bewunderte Heros geworden sein würde. Nochmals Preis und Dank, daß der 18. Oktober ein Tag des Verderbens für ihn wurde. Wenn Du unsere Zeitungen mit den Extrablättern erhältst, so wirst Du die Umstände der großen Begebenheit schon wissen. So viel kann ich Dir versichern, daß unsere Truppen ihrer großen Erinnerungen würdig gefochten haben. Unsere Landwehren, die großenteils von früher als »untauglich« pensionierten Stabsoffizieren geführt wurden, haben sich mit einem Mute benommen, den selbst die Linientruppen bewundern.
    Welch ein Kontrast zwischen den sächsischen Truppen und ihrem König! Erstere sind alle zu uns getreten, und letzterer ist nach Prag hin abgeführt worden. Wenn der Ölgötze einige Empfindung von Scham hätte, so müßt er sterben, allein er wird all seine Dummheiten dem Willen der Vorsehung zuschreiben und sich selbstverständlich diesem Willen unterwerfen. Der Rheinbund ist aufgelöst, und will's Gott, so bringt Napoleon nicht viel von seinem Heere nach Hause. Denn um ihn herum sind wenigstens 12 000 Kosaken und fast ebensoviel reguläre Kavallerie. Er kann keinen Schritt tun, ohne zu schlagen, und wird er nur so lange aufgehalten, daß Infanterie herankommen kann, so muß er en détail aufgerieben werden. Vielleicht daß er dabei, zur Ruhe des Menschengeschlechts, die eigene »Ruhe« findet. Ich wünsch es ihm und uns. Hoffentlich werden nun alle Festungen fallen, und die französischen Corps unter Gouvion St. Cyr können der Gefangenschaft nicht entgehen. Es bleibt ihnen nichts übrig, als sich nach Dresden hineinzuwerfen, wo nichts zu leben ist. Hoffentlich werden wir den Sieg zu benutzen und einen raschen Frieden herbeizuführen wissen. Ich atme wieder auf, und seh ich auf das, was, wetteifernd mit den eigentlichen Soldaten, unsere Landwehren getan haben, so erquickt es mein altes Herz, daß es, neben Gottes Gnade, des Volkes Kraft war, was diesen Wechsel der Dinge schuf.
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