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Fuenf Maenner Fuer Mich

Fuenf Maenner Fuer Mich

Titel: Fuenf Maenner Fuer Mich
Autoren: Annette Meisl
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auch immer das gehen mag.
    Die Krise hat mich in ihren Fängen, aber heute sollen die Sonnenstrahlen alle dunklen Gedanken verscheuchen. Vor drei Tagen habe ich Herrn X verboten, in meine Nähe zu kommen. Jede Begegnung mit ihm verursacht bei mir so schlimme Zustände, dass sich meine Freunde um mich sorgen. Sobald ich ihn sehe, schneidet es mir die Luft ab und ich habe das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Ich habe förmlich das Gefühl, ersticken zu müssen, und möchte nur noch wegrennen. Und es bleibt nicht bei dem Impuls. Sobald ich Herrn X sehe, sprinte ich über die Straße und springe ins nächste Taxi. Ich bedanke mich jedes Mal beim Universum, wenn ich bei einer solchen Aktion nicht überfahren werde.
    Eines Tages lande ich nach solch einer Flucht im Kölner Dom. Ich finde mich unter lauter Touristen wieder, die Fotos knipsen und dabei Aah und Ooh machen. Eine gefühlte Sekunde später hat sich das Szenario verwandelt. Keine Touristen mehr, dafür jede Menge Gläubige, die auf den Kirchenbänken kniend einen Rosenkranz beten.
    Zwischen den beiden Szenen fehlt ein Stück. Tränen strömen aus meinen Augen und wildfremde Menschen reichen mir Taschentücher. Als ich die Geschichte später meinem Freund Gregor erzähle, warnt er mich halb im Scherz, aber mit besorgter Miene: „Mach so was bloß nicht noch mal, sonst sprechen sie dich noch heilig!“
    Nach solchen Momenten der Orientierungslosigkeit kribbeln meine Hände und mein Gesicht und ich kann nicht mehr aufhören zu heulen. Dieses Gefühl, das zum ersten Mal im Kölner Dom über mich kam und das mich seither immer wieder hinterrücks und ohne Vorwarnung überfällt, benenne ich mit dem spanischen Wort „Angustia“. Sie ist zu meiner ständigen Begleiterin geworden. Warum kann ich dieses Gefühl nicht auf Deutsch benennen? Wäre das Wort „Angst“ zutreffend? Angst, nicht geliebt zu werden? Verlustangst? Ich weiß es selbst nicht. Ich habe Panikattacken – und das versetzt mich erst recht in Panik.
    Verzweifelt bitte ich meinen Hausarzt und Freund Bert um Hilfe: „Gib mir irgendein Medikament. Beruhigungstabletten, Schlaftabletten, irgendwas!“
    Doch er weigert sich auch zwei Monate nach Tag null standhaft und sagt: „Das schaffst du auch ohne Chemie. Du bist stark!“
    Er holt einen Gegenstand aus seiner Schublade und versteckt ihn neckisch hinter seinem Rücken. „Ich hab eine Überraschung für dich! Beim nächsten Mal atmest du so lange hier rein, bis du dich wieder beruhigt hast.“
    Er zaubert einen Plastikhandschuh hervor. Auf meinen fragenden Blick erklärt er: „Du hyperventilierst, das übersäuert das Blut. Wenn du Pech hast, verkrampfst du und dann kommst du da nicht mehr alleine raus.“
    Ich sehe mich schon mit spastischen Anfällen in der Straßenbahn oder an der Kasse im Supermarkt zusammenklappen. Da ist der Plastikhandschuh eindeutig die bessere Alternative. Ich probiere es unter seiner Anleitung. Die Öffnung des Handschuhs wird luftdicht um den Mund gelegt, dann atmet man durch den Mund in den Handschuh aus. Dieselbe Luft atmet man durch den Mund wieder ein.
    „Das kennst du aus diversen Hollywood-Filmen, die nehmen da meist Brötchentüten“, ergänzt er. Er weiß nicht, dass ich ohne Fernseher aufgewachsen bin und auch heute noch keinen besitze. Ich will mir keine Blöße geben und nicke tapfer.
    Der Effekt ist lustig: Beim Auspusten füllt sich der Handschuh und mit einem leichten „Plopp“ strecken sich alle Gummifinger. Beim Einatmen macht es „Zwtschhhh“ und das Teil platscht zusammen und erinnert an ein ausgeleiertes Kondom.
    „Diese Übung kann ich doch nicht in der Öffentlichkeit machen“, wende ich zaghaft ein.
    „Renn schnell irgendwo aufs Klo“, empfiehlt mir Bert, den ich jetzt gerne als Gott in Weiß betrachte, und ich nicke ehrfürchtig und gebe mich geschlagen ob solch geballter Weisheit. Der Handschuh befindet sich seit jenem Tag immer in meiner Handtasche und gehört zu meiner Grundausstattung, zusammen mit Lippenstift, Handy, Geldbeutel und Tagebuch, ohne die ich das Haus nicht verlasse. Jetzt kann nichts mehr schiefgehen, welch Erleichterung!
    Tief im Inneren spüre ich Dankbarkeit. Mein Körper hat mir die Luft abgeschnitten, damit mir nichts anderes übrig bleibt, als Herrn X aus meinem Leben zu verbannen. Ohne die Atemnot wäre ich niemals zu einer solch drastischen Maßnahme fähig. Mein Körper schafft Tatsachen. „Schick den Mann weg oder stirb!“, lautet die wenig charmante
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