Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fünf alte Damen

Fünf alte Damen

Titel: Fünf alte Damen
Autoren: Hans Gruhl
Vom Netzwerk:
sich
nicht genau festgelegt.»
    Daniel bewegte sich. Jetzt hatte er
wieder etwas von einem Jagdhund an sich, der eine alte Spur wittert zwischen
vielen fremden.
    «Einfache Sache. Kein Mensch konnte
merken, daß sie doch in der Wohnung war. Sie trug Handschuhe. Hat keinen
Abdruck hinterlassen. Und das Glück gehabt, daß niemand sie gesehen hat.»
    Der Rektor wandte ihm seinen Blick zu.
Seine Augen glitzerten diabolisch.
    «Es hat sie jemand gesehen, mein
Freund. Der Wellensittich im Schlafzimmer. Doktor— wissen Sie noch, was er
gerufen hat?»
    Ich dachte nach. Der helle, hohe Schrei
fiel mir ein.
    «Minchen— irgend so was mit i.»
    «Ja. Etwas mit i. Er rief es noch
einmal, als wir das Zimmer verließen. Agnes war die Klassenerste gewesen.
Wissen Sie, wie die anderen sie nannten? Primchen. Das Klassenprimchen. Die
Mädchen redeten sie selten mit ihrem Vornamen an. Immer nur mit Primchen. Der
Wellensittich hatte es oft genug gehört. Immer hatten sie alle gelacht, wenn
sie dort waren und er es rief.»
    Ganz deutlich erinnerte ich mich jetzt
an alles, was der Rektor getan hatte. Sein Benehmen bei meinem Besuch in seiner
Wohnung. Sein Benehmen bei der toten Dorothea. Seine Rücksichtslosigkeit gegen
Agnes. Alles hing zusammen.
    «Sie hatten den Verdacht schon früh?»
fragte ich. «Sie gingen zu Doktor Leopold, um sich nochmals zu vergewissern, ob
Ihre Schwester nicht auch umgebracht worden wäre?»
    Das Lächeln zerschnitt sein Gesicht in
tausend Falten.
    «Sie sagen es. Ich wußte von Anfang an,
daß Sie nicht wegen des Klavierunterrichtes zu mir gekommen waren. Agnes hatte
mir längst erzählt, daß Sie bei Jenny den Tod festgestellt hatten. Und bei
Berthas Beerdigung erfuhr ich, daß Fräulein Mechthild Ihre Sprechstundenhilfe
ist und daß sie Sie zu ihrer toten Tante geholt hatte. Und schließlich erzählte
mir mein treuer Schüler Leopold von Ihrem Besuch bei ihm. Jetzt war ich sicher,
daß Sie den gleichen Verdacht hatten und ich auf dem richtigen Wege war. Almas
Tod war nicht gewaltsam, aber steigerte mein Mißtrauen gegen Agnes. Als Jenny
starb, gab es keinen Zweifel mehr.»
    «Ich war nicht aufrichtig zu Ihnen»,
sagte ich.
    «Das macht nichts, mein Freund, das
macht nichts. Die Sache war viel zu verschwommen, als daß man aufrichtig hätte
sein können. Aber ich war froh, einen geheimen Bundesgenossen zu haben, der in
gleicher Richtung dachte wie ich. Leider hat es den armen Frauen nicht
geholfen.»
    «Daran bin ich mitschuldig», sagte
Daniel rauh. «Er hat mir von seinem Verdacht erzählt, als Frau von Scherff
gestorben war. Ich habe nichts davon gehalten. Aber ich hätte auch niemals an—
an Frau Lansome gedacht.» Er sah mit geradem Blick dem Rektor ins Gesicht.
«Wissen Sie, was ein gerissener Verteidiger daraus macht? So einer wie
Krompecher? Es sind noch mehr Erben da, Herr Professor. Sie. Ihr Neffe. Und
andere.»
    Die Stimme des alten Mannes war sanft.
Voller Nachsicht.
    «Ich weiß, mein Lieber, ich weiß. Ich
weiß aber auch, daß ich der Mörder nicht bin.»
    Es klang so, daß es in alle Ewigkeit
wahr bleiben würde.
    «Unser Neffe ist es nicht. Das wird
sich ohne Mühe beweisen lassen. Nur Agnes kann es sein. Ich irre mich nicht.
Morgen will sie fort, Kommissar. Was ist folgerichtiger als das? Sie könnte
hierbleiben, sie weiß, daß es außer ihr keinen Mörder gibt. Aber sie tut so,
als würde sie fliehen aus Furcht. Mit fünfhunderttausend Mark. Sie kann noch
zwanzig Jahre leben mit ihrem Gewissen und ihrem Geld. In England, wo niemand
von der Geschichte weiß. Wollen Sie sie fahren lassen?»
    «Sie wird nicht fahren.»
    Daniel trank nicht mehr. Es war kein
Ärger über die verkannte Fährte. Es war das Benehmen des Mannes, der nach einem
verlorenen Spiel sofort weiterspielen kann, ohne vom Kellner eine Pistole zu
verlangen. Das Feuer im Kamin loderte nur noch matt. Daniels Gesicht lag im
Dunkel, als er aufgestanden war.
    «Sie wird hierbleiben, bis alles
aufgeklärt ist. Und sie kommt mit— jetzt gleich.»
    «Du willst sie wecken?» fragte ich.
    «Ja. Sie hat genug Zeit gehabt. Es ist
nichts mehr übrig davon.»
    «Meinst du, daß du einen Haftbefehl kriegst?»
    «Ja. Ich bin ein verdammter Narr
gewesen. Schon die Digitalisgeschichte genügt, um ihr den dringenden
Tatverdacht anzuhängen. Wer konnte ihrer Schwester das Zeug besser beibringen
als sie? Sie, die immer mal voll schwesterlicher Sorge nach Jenny gesehen hat?
Aber manchmal läuft man rum wie mit einer Binde vor den Augen.» Er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher