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Fünf alte Damen

Fünf alte Damen

Titel: Fünf alte Damen
Autoren: Hans Gruhl
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wir versäumt
haben, gnädige Frau. Zu Hause hätte er auch Whisky getrunken um diese Zeit.»
    «Guten Abend», sagte ich und gab ihr
einen halb gelungenen Handkuß. «Glauben Sie ihm nicht. Ich weiß gar nicht, was
Whisky ist.»
    «Schlimm genug», antwortete Agnes.
«Nehmen Sie hier Platz, Doktor.»
    Sie setzte mich neben sich, daß ich
genau ins Feuer sah. Daniel bekam den Sessel rechts von mir.
    Gekonnt, aber gravitätisch schenkte sie
uns den ersten ein. Wir erhoben die Gläser gegen sie.
    «So verliert man seine besten
Patientinnen», sagte ich, als wir abgesetzt hatten. «Bleiben Sie lange weg,
Frau Lansome?»
    «Ich weiß nicht», sagte sie leise. «Ich
weiß auch nicht, ob ich mich wieder an England gewöhne. Vielleicht bin ich ganz
plötzlich wieder hier. Aber jetzt— jetzt muß ich fort. Alles, was hier passiert
ist— niemand lebt mehr— und diese Unruhe— nein, ich muß fort. Drüben habe ich
Frieden. Sie verstehen das doch?»
    Wir nickten gleichzeitig.
    «Ich habe drüben ein Haus in Sussex—
mein Mann hat es damals gekauft— »
    «Wer kümmert sich um das hier?» fragte
Daniel.
    «Doktor Krompecher. Er will alles
regeln, vielleicht sogar einen Mieter herbeischaffen— ich weiß noch nicht. Ich
will erst mal fort.»
    Sie sah müde aus und älter als sonst.
Machte es die Kaminbeleuchtung oder die Furcht vor dem unbekannten Tod?
    «Gehen Sie nur drüben gleich wieder in
Behandlung», sagte ich. «Sussex wird dem Herzen guttun. Aber ein Spezialist ist
noch besser. Ach, da fällt mir was ein.»
    Ich beugte mich herunter zu meiner
Mappe.
    «Ihre Tropfen. Ich habe sie noch mal
mitgebracht. Damit Sie genug haben während der Reise.»
    Sie war ganz gerührt.
    «Wie nett von Ihnen! Was muß ich
zahlen?»
    «Nichts», sagte ich. Es war ein
Ärztemuster, das mich nichts gekostet hatte. Genau die Tropfen, die sie
brauchte. «Es ist für die Blumen, die ich nicht mitgebracht habe.»
    «Dafür kriegen Sie gleich noch einen
Whisky», sagte sie.
    Ich machte keine Abwehrbewegung.
    Daniel trank, hielt sein Glas in der
Hand und sah sie an.
    «Übrigens, Frau Lansome— ich werde mir
erlauben, einen Bericht an Ihre örtliche Polizei zu geben. Damit die wissen,
was los ist, und sich dahinterklemmen können, wenn irgendwas faul sein sollte.»
    Sie sah so erschrocken aus, daß sie mir
leid tat.
    «Sie glauben doch nicht— »
    «Nein, ich glaube es nicht», sagte
Daniel ruhig. «Ich bin sogar froh über Ihren Entschluß. Aber an Ihnen hängt
jetzt das ganze Vermögen. Wenn jemand soweit gegangen ist, gibt er ungern auf.»
    «Er hat recht», sagte ich. «Vorsicht
kann nicht schaden. Und auf die englische Polizei ist Verlaß.»
    «Sie trinkt mehr Whisky», setzte Daniel
dazu.
    Agnes lachte ein bißchen.
    «Ach, meine Herren. Daß mir doch das
noch passieren muß auf meine alten Tage! Alles war so schön und in Ordnung. Und
jetzt— Alma und Bertha— Jenny— und— und Dorothea— alle sind sie— »
    Der Übergang von ihrem Lachen zu Tränen
kam so schnell, daß wir noch lachten, als sie schon weinte.
    «Das elende Geld», schluchzte sie.
    Wir saßen ziemlich ratlos da. Ein
Mädchen kann man trösten, wenn es weint. Aber eine alte Frau? Wir blieben
sitzen und fingerten an den Krawatten herum. Mir fiel nichts Besseres ein, als ihr
mein Taschentuch zu geben. Sie nahm es und tupfte in ihrem alten Gesicht!
Plötzlich waren ihre Tränen weg. Sie richtete sich auf.
    «Kommissar Nogees! Versprechen Sie mir,
daß Sie den Mörder finden! Versprechen Sie es mir! Ich könnte nicht mehr ruhig
schlafen, wenn ich wüßte, daß er ohne Strafe davonkommen soll!»
    Ich drehte meinen Kopf langsam zu
Daniel hin. Das war so, als hätte ich ihr ein Alter von achtzig Jahren
garantieren sollen.
    Daniel sah sie an. Dann mich, mit
harten Augen.
    «Ich finde ihn schon», sagte er. «Ich
oder ein anderer von uns. Dieses Geld gibt er nicht aus.»
    Wir rappelten uns aus den Sesseln hoch,
als Agnes plötzlich aufstand.
    «Ich danke Ihnen, Herr Nogees. Auch
Ihnen, Doktor Klein. Sie haben so viel für mich getan, alle beide. Ohne Sie wäre
ich vielleicht auch schon— Sie sind mir nicht böse, wenn ich jetzt schlafen
gehe. Morgen früh muß ich fahren. Sie wissen, wo alles ist, Herr Nogees— bitte,
nehmen Sie sich, was Sie brauchen.»
    «Das machen wir», sagte Daniel. «Ich
hätte nur gern gesehen, wo Ihr Schlafzimmer ist.»
    «Aber natürlich. Kommen Sie bitte mit.»
    Sie gab mir die Hand, bevor sie ging.
    «Gute Nacht, Doktor. Hoffentlich
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