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Fuchsteufelswild

Fuchsteufelswild

Titel: Fuchsteufelswild
Autoren: Roland Krause
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das Gedankenpflanzerl verräumt im vernachlässigten großstädtischen Gewächshaus.
    Nach ein paar Kilometern biegt er auf einen grasüberwucherten Fahrweg ab. Kaum erkennbare Spuren. Nur den Stadel am Eck, mehr ein windiger Bretterverschlag, hat der Sandner als Beschreibungsmerkmal aufnotiert. Dürftig genug. Über kurz oder lang wird sich die Natur diese menschliche Hinterlassenschaft zurückholen. Das löchrige Dach hat sich bereits in ein veritables Rasenstück verwandelt.
    Unverändert in Form bleibst du nur als Plastik-Quietschenterl – sofern dein Karma mitspielt.
    Ein weißes Strichmännchen nebst überdimensioniertem Penis hat jemand auf die verwitterten Latten gesprayt. Da ist die Triebfeder eher die Langeweile denn die Kreativität gewesen. Oder verzerrte Wahrnehmung bezüglich trauriger physischer Tatsachen. Vielleicht hat auch ein Kurgast seine moorbedingte Vitalität künstlerisch verewigen wollen.
    Der Ferdl hat gemeint, das wär eine dreckige Sauerei. Sein Superlativ. Sollte er jemals ein öffentlich zugängliches Münchner Scheißhaus betreten, würden ihm die Worte im Hals randalieren.
    Also – wenn des Pfarrers Helferlein ihn nicht angeschmiert hat, müsste der Hof vom Grainer am Ende des Weges auftauchen.
    Das Wagerl samt polizeilichem Inhalt wird gescheit durchgeschüttelt. Vor ihm tauchen die Gebäude auf.
    Das Gehöft macht einen verwahrlosten Eindruck. Es sieht so aus, als hätte das Ensemble aus Haus und Stadeln einst ein stolzes, ansehnliches Anwesen dargestellt und wäre im Laufe der Zeit ausgeschlachtet worden. Überall liegen rostige Gerätschaften herum, sinnentleerte Überbleibsel bäuerlicher Geschäftigkeit. Ihre Bestimmung hatten sie längst überdauert – Symbole vergangener, besserer Tage.
    Die Sonne versteckt sich hinter einer Kumuluswolke. Das düstere, schäbige Ambiente nimmt Besitz von Sandners Stimmung. Er steigt aus. Gebeugt hatscht er Richtung Wohnhaus. Neben der Tür flackt der Methusalem aller Köter samt grauem, zerzaustem Fell und rot unterlaufenen Triefaugen. Die Schnauze auf die Pfoten gebettet, straft er den Polizisten mit Ignoranz. Wie ein hingeschmissenes Stofftier von der Sperrmüllsammlung.
    Der Sandner drückt gegen das alte Holz. Die Tür schwingt knirschend nach innen.
    Â»Herr Grainer?«
    Keine Antwort. Sollte er sich erst umschauen? Zögernd macht er einen Schritt in den halbdunklen Flur. Noch einmal probiert er es.
    Â»Wer da?« Bevor er es sich anders überlegen kann, steht er schon in der Stube. Es riecht nach schweißelnden Socken und Tabak. Auf dem zerschundenen Holztisch steht eine Flasche Zwetschgenwasser ohne Gläser. Nix Außergewöhnliches. Gegen die blinden Scheiben kämpfen Lichtstrahlen vergeblich an. An der Wand ein alter Ölschinken, Sommerwiese nebst Mühle. Eine Kommode, drei grobe Holzstühle – Ende mit der Inventur. Da träumen die Leut immer davon, durch die Zeit zu reisen, schauen sich Bauernstuben im Nationalmuseum an oder holen sich das Porzellan vom Edel-Trödler ins Haus. Wenn du es dann leibhaft erleben kannst, ist es vorbei mit der Romantik und dem Trallala.
    Neben dem alten Kachelofen steht ein Kisterl mit Papier. Der Sandner zieht ein Hefterl aus der Einschürkiste, ein Münchner Veranstaltungsheft. »In München«. Er blättert ein wenig darin herum. Bei den Anzeigen für Kampfschulen, Aufstellungen und astrologischem Firlefanz wird er fündig. Seelisches und körperliches Update wird da spaltenweise angeboten, damit du weiterkommst auf der Persönlichkeitsleiter. Defizitäre Falten werden glattgebügelt.
    Perfektionisten sind dem Sandner immer dubios vorgekommen. Weils ihr Ideal im Verborgenen pflegen und keiner es zugeben will. Wie die Leut mit den Trenchcoats im Pornokino. Das Hirn gleicht einer Splittermine, und keiner weiß, wann die hochgehen wird – manchmal reicht ein falsches Wort und – bumm.
    Â»Calm&Peace« liest er. Da schau her. Ein unscheinbarer Text zwischen all den Psycholockrufen, aber immerhin.
    W as machst du da herin!«
    Der Sandner fährt herum. Er hat den Bauern nicht kommen hören. Grauhaarig, hohlwangig, die Augen unter struppigen Brauen, steht er da in fleckigen blauen Arbeitshosen und einem Unterhemd. Nicht viel älter wie der Sandner wird er sein, aber vom Leben wie mit der Goaßl gegerbt schaut er
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