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Frühstückspension: Kriminalroman

Frühstückspension: Kriminalroman

Titel: Frühstückspension: Kriminalroman
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
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Zeit.«
    Ich nicke. Keine Ahnung, warum sich ihr Geschmack so drastisch verändert hat. Wenn ich die überladene Einrichtung betrachte, in jedem Fall eine positive Entwicklung.
    Das Frühstückstablett ist vorbereitet. Der Kaffee auch. Mit geübten Handgriffen ordnet Frau Heinrich alles auf meinem Platz an. Für sich selbst holt sie einen Becher mit Tee und die Tageszeitung. Mit einer entwaffnenden Selbstverständlichkeit setzt sie sich damit an das andere Ende vom Tisch. Verwundert stelle ich fest, dass es mich nicht stört. Im Gegenteil, ich habe das Gefühl, schon Jahre mit dieser Frau an einem Frühstückstisch verbracht zu haben.
    »An den Wochenenden habe ich immer Gäste«, meint sie, ohne von ihrer Zeitung aufzublicken. »Meistens Väter. Sie besuchen ihre Frauen im Mutter-Kind-Kurheim.«
    Ich nicke und genieße die ersten Schlucke Milchkaffee. Dabei weiß ich ihre Bemerkung nicht einzuschätzen. Will sie ihr leeres Haus rechtfertigen oder mich vorwarnen?
    »Wird Ihnen das nicht manchmal zu viel?«, frage ich und träufele großzügig Marmelade auf mein Käsebrötchen.
    »Nein, das mache ich seit 30 Jahren. Da sitzt jeder Handgriff. Und Sie? Sind Sie beruflich unterwegs?«
    Beruflich unterwegs? Die Frage hätte Reinhard mit Sicherheit amüsiert.
    Als ich mit Sandra schwanger war, habe ich meine Ausbildung abgebrochen. Hotelfachfrau. Der Abschied ist mir leichtgefallen. Ein neuer Anfang umso schwerer.
    Die ersten Jahre mit Sandra waren glückliche Jahre der Langsamkeit. Dann kehrte eine Mutter nach der anderen wieder in ihren Beruf zurück. Ich habe sie bewundert, wollte ihrem Beispiel folgen und habe mit Reinhard darüber gesprochen. Er war keine Unterstützung. Im Gegenteil. Als gefiele ihm meine Abhängigkeit im gleichen Maße, wie er sie verachtete. Später hat Sandra mich gefragt: Warum hast du eigentlich keinen Beruf? Das war kränkend. Was hätte ich ihr antworten können? Dass ich den Zug einfach verpasst hatte?
    »Nein, nicht beruflich«, antworte ich. »Mein Mann liegt in Wilhelmshaven auf der Intensivstation. Wir hatten einen Unfall.«
    Zum ersten Mal sieht meine Wirtin von der Zeitung auf. Ihre Augen ruhen auf meinem Gesicht. Ich spüre ihre Fragen und ärgere mich, dass ich die Wahrheit gesagt habe. Was geht es diese Frau an, warum ich hier bin? Ich habe nicht einmal Sandra angerufen und erzähle es gleich einer Fremden. Aber sie stellt keine Fragen. Sie nickt nur. In ihrem Gesicht spiegelt sich Verständnis von jemandem, der seine eigene Geschichte durchlebt und nicht in der der anderen herumwühlen muss.
    Sie nickt nur und senkt ihren Blick wieder in die Zeitung.
    Zufrieden schenke ich mir noch einen Kaffee ein. Ich habe das richtige Haus gewählt.
     
    Vormittags bekommt man vor dem Krankenhaus ohne langes Suchen einen Parkplatz. Keine offiziellen Besuchszeiten. Auf der Intensivstation gehen sie damit großzügig um. Jederzeit, haben sie gesagt. Jederzeit hat mich sofort beunruhigt. Eine klare Anweisung wäre mir lieber gewesen.
     
    Die Eingangshalle ist hell und freundlich. Überall Grünpflanzen. An den Wänden geschmackvolle Drucke. Nischen mit kleinen Tischen und Sitzen. Das Ambiente einer Hotelhalle. Es fehlt nur die Leichtigkeit, zu kommen und zu gehen.
    Ich kenne den Weg. Brauche niemanden zu fragen, nicht vor Schildern stehen zu bleiben. Das gibt mir ein Gefühl von Überlegenheit und lässt mich an den anderen vorbeieilen. Hinter einer Glastür kann ich einem Bild nicht ausweichen. Ein Paar. In unserem Alter. Er sieht fahl aus, als hätte man ihn mit Asche geschminkt. Die Frau umspannt ihn mit beiden Armen. Innig, als könnte sie ihn damit halten. Das hat so viel Intimität. Ich sehe berührt zur Seite.
    Vor dem Schild ›Intensivstation – Besucher bitte klingeln‹ bekomme ich wie immer Herzklopfen. Klingeln. Warten. Hände desinfizieren. Schutzkittel. Die Handlungen sind mir vertraut, und doch machen sie mich immer wieder aufs Neue hilflos. Von nun an ist man auf die Freundlichkeit des Pflegepersonals angewiesen. Ich habe Glück. Schwester Maike öffnet mir die Tür. Die junge Schwester ist von Anfang an dabei gewesen. Ich habe sie auf Anhieb gemocht. Sie wirkt so erfrischend, so unverbraucht. Das blonde Haar zu einem Zopf gebunden. Auf ihrer gebräunten Haut tanzen Sommersprossen. Selbst die unkleidsame grüne Dienstkleidung lässt sie attraktiv und geradezu unverschämt gesund aussehen.
    Sie lächelt mich an. Ein sehr direktes, herzliches Lächeln. Ich muss mich zusammenreißen,
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