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Frühstückspension: Kriminalroman

Frühstückspension: Kriminalroman

Titel: Frühstückspension: Kriminalroman
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
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Wir wollen bei Ihrem Mann den Tubus wechseln. Es wird nicht lange dauern.«
    Sie sieht mich entschuldigend an, aber ich bin froh über diese Zwangspause. Bereitwillig stehe ich auf. Der alte Mann wird auch nach draußen geschickt. Für einen Augenblick habe ich freie Sicht auf das Nachbarbett. Eine Frau, sicher seine. Das Haar weiß. So ein richtig schönes Schneeweiß. Kurz geschnitten. Die Haut rosig und den Schnorchel in der Nase.
    Auf dem Flur vor dem kleinen Stationszimmer riecht es nach Oregano und frisch gebackenem Käse. Das hat etwas Pietätloses. Unsinn, denke ich, sollen sie hier vor lauter Pietät verhungern?
    Ich habe Durst, aber ich will nicht im Vorraum warten. Er wirkt wie ein Niemandsland. Stühle, ein paar hingeworfene Illustrierte und ein Wasserspender sollen ihn in ein Wartezimmer verwandeln. Doch es ist und bleibt die Schleuse von der Normalstation zur Intensivstation. Ständig werden die Türen aufgerissen. Ich erschrecke mich jedes Mal neu. Die Vorbeieilenden verbreiten Unruhe und eine Wichtigkeit, als ginge es um Leben und Tod. Wahrscheinlich geht es auch darum.
     
    Das Krankenhauscafé ist noch freundlicher eingerichtet als die Eingangshalle. Prächtige Grünpflanzen und Möbel aus Rattan erinnern an einen großzügigen Wintergarten. Doch hier ist man Patient oder Angehöriger. Und man ist sprachlos. Das Krankenhaus scheint alle Worte zu schlucken, und ich bin froh, dass es nicht nur mir so geht. Ich bestelle mir ein Wasser. Da steht der alte Mann im Eingang. Er zögert. Sein akkurater Anzug passt nicht zu seinem müden Gesicht, der gebeugten Haltung. Er wirkt so hilflos und verloren. Warum wirken alte Männer auf mich rührend, während alte Frauen mich schnell ungeduldig machen?
    Bevor ich anders entscheiden kann, winkt ihm meine Hand einladend zu. Er stutzt, erkennt mich und kommt an meinen Tisch. Die Andeutung einer Verbeugung, und er setzt sich. Im gleichen Augenblick bereue ich meine spontane Geste. Was soll ich mit ihm reden? Ich will mich entspannen, allein sein, nicht reden müssen. Nun ist es nicht mehr zu ändern. Wieder eine Situation, die ich eigentlich nicht wollte. Warum rausche ich da immer hinein?
    Er hat sich einen Kaffee bestellt. Umständlich versenkt er zwei Zuckerwürfel, rührt lange und nimmt den ersten vorsichtigen Schluck. Er schmeckt ihm nicht. Das ist deutlich zu sehen. Sein Blick streift die Armbanduhr.
    »Ich habe gleich ein Gespräch mit dem Oberarzt«, sagt er, ohne mich dabei anzusehen.
    Er nimmt einen zweiten Schluck Kaffee. Dieses Mal verzieht er angewidert seinen Mund und schiebt die Tasse zur Seite.
    »Ich werde ihn bitten, die Beatmungsmaschine bei meiner Frau abzustellen.«
    Er erzählt das so ruhig, als plane er, für die nächsten Tage eine Aufwartefrau einzustellen. Ich versuche, nicht zu fassungslos zu starren.
    »Ihre Frau ist erst gestern eingeliefert worden?«
    Ohne dass ich es verhindern kann, liegt in meiner Stimme ein scharfer Vorwurf. Vielleicht überblickt er einfach die Situation nicht mehr.
    »Ohne diese Maschine wird Ihre Frau wahrscheinlich sterben«, hole ich aus, um ihm die Tragweite seiner Entscheidung klarzumachen.
    »Haben Sie Kinder, mit denen Sie reden könnten?«
    Er sieht mich zum ersten Mal an. Seine Augen sind hellgrau und wach. Ich meine, ganz tief in ihnen ein Lächeln zu erkennen.
    »Meine Frau ist bereits tot. Ist das nicht alles nur entwürdigend?«
    Eine Hitzewelle durchläuft meinen Körper.
    »Warum entwürdigend? Sie wird mit Sauerstoff versorgt, solange sie nicht selbst atmen kann. Geben Sie ihr doch eine Chance. Es gibt immer wieder medizinische Wunder.«
    Meine Stimme ist laut und empört und erschreckt mich selbst.
    Sei einfach still, Teresa. Warum regst du dich eigentlich so auf? Es ist seine Entscheidung. Seine Verantwortung.
    Jetzt lächelt er. Wie mir scheint, ein wenig mitleidig.
    »Seien Sie unbesorgt. Meine Frau hätte es so gewollt. Wir haben ein Patiententestament gemacht und uns ein Versprechen gegeben. Das gehe ich jetzt einlösen. Sie entschuldigen mich bitte.«
    Mit diesen Worten steht er auf, rückt seinen Stuhl wieder an den Tisch und geht. In seiner Haltung ist nichts Hilfloses mehr zu erkennen.
    Seine Selbstverständlichkeit macht mich wütend. Sein Lächeln noch mehr. Als wäre ich ein dummes Schulmädchen. Dabei fühle ich, dass ich hinter der Wut nur aus Neid bestehe. Ich könnte nicht sagen, was Reinhard gewollt hätte. Wir haben nie über den Tod gesprochen.
    Ich trinke mein Wasser aus und
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