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Frühstück bei Tiffany

Frühstück bei Tiffany

Titel: Frühstück bei Tiffany
Autoren: Truman Capote
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Ich bin bisher noch nicht so recht sicher, wo das sein könnte. Aber ich weiß, wie es aussehen müßte.» Sie lächelte und ließ den Kater auf den Boden fallen. «Ganz wie bei Tiffany», sagte sie. «Nicht daß ich mir einen Dreck aus Schmuck machte. Brillanten, nun ja. Aber es ist geschmacklos, Brillanten zu tragen, ehe man vierzig ist; und selbst dann ist es noch riskant.
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    Richtig gut sehen sie nur bei ganz Alten aus - wie Maria Uspenskaya. Runzeln und Knochen, weiße Haare und Brillanten - ich kann's kaum erwarten. Aber das ist es nicht, warum ich so verrückt auf Tiffany bin. Sagen Sie - kennen Sie die Tage, wenn Sie das rote Grausen gepackt hat?»
    «Ist das das gleiche wie die blaue Melancholie?»
    «Nein», versetzte sie langsam. «Nein, die kriegen Sie, weil Sie dick werden, oder auch wohl, weil es zu lange regnet. Da ist man traurig, das ist alles. Aber das rote Grausen ist gräßlich. Sie fürchten sich und schwitzen wie in der Hölle, aber Sie wissen nicht, wovor Sie sich fürchten. Außer daß etwas Schlimmes geschehen wird, nur wissen Sie gar nicht, was. Haben Sie das schon mal gehabt?»
    «Ziemlich oft. Manche nennen es einfach: Angst.»
    «Na schön: Angst. Aber was tun Sie dagegen?»
    «Tja, Trinken hilft.»
    «Das habe ich versucht. Auch mit Aspirin habe ich's versucht Rusty meint, ich solle Marihuana rauchen, und das habe ich eine Weile getan, aber da fange ich nur an zu kichern. Was mir, wie ich herausgefunden habe, am allerbesten tut, das ist: eine Taxe nehmen und zu Tiffany fahren. Das macht mich umgehend ruhig, die Stille dort und der prächtige Eindruck; nichts sonderlich Schlimmes kann einem dort passieren, nicht mit diesen liebenswürdigen Männern da in ihren feinen Anzügen und mit dem herrlichen Geruch nach Silber und Krokodillederbrieftaschen. Wenn ich im wirklichen Leben einen Ort finden könnte, der mir ein Gefühl wie Tiffany gibt, würde ich mir ein paar Möbel kaufen und dem Kater einen Namen geben. Ich habe gedacht, daß nach dem Kriege vielleicht Fred und ich -» Sie stieß ihre Brille nach oben, und ihre Augen mit ihrer verschiedenen Färbung, den grauen Tönen mit dem darübergewischten Blau und Grün, hatten eine ins Weite blickende Schärfe angenommen. «Ich bin einmal nach Mexiko gereist. Das ist ein wunderbares Land für Pferdezucht. Ich fand eine Stelle nahe am Meer. Fred versteht sich auf Pferde.»
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    Rusty Trawler kam mit einem Martini; er reichte ihn mir, ohne mich anzusehen. «Ich habe Hunger», verkündete er, und seine Stimme, zurückgeblieben wie alles andere an ihm, brachte ein enervierendes Kindergequäke heraus, das Holly Vorwürfe zu machen schien. «Es ist halb acht, und ich habe Hunger. Du weißt, was der Doktor gesagt hat.»
    «Ja, Rusty, ich weiß, was der Doktor gesagt hat.»
    «Also dann brich das hier ab. Gehen wir.»
    «Ich möchte, daß du dich benimmst, Rusty.» Sie sprach sanft, aber es war eine lehrerinnenhafte Strafandrohung in ihrem Ton, die mit einer merkwürdigen Welle des Wohlgefallens, der Dankbarkeit, sein Gesicht erröten machte.
    «Du liebst mich nicht», beklagte er sich, als seien sie allein.
    «Ungezogenheiten liebt niemand.»
    Offensichtlich hatte sie gesagt, was er zu hören wünschte; es schien ihn gleichzeitig aufzuregen und zu erleichtern. Dennoch fuhr er fort, als sei dies ein Ritual: «Liebst du mich?»
    Sie tätschelte ihn. «Kümmre dich um deine Haushaltspflichten, Rusty. Und wenn ich soweit bin, gehen wir essen, wohin du willst.»
    «Chinatown?»
    «Aber das heißt noch nicht süßsaure Rippchen. Du weißt, was der Doktor gesagt hat.»
    Während er mit zufriedenem Watscheln wieder zu seinen Pflichten zurückkehrte, konnte ich nicht widerstehen, sie daran zu erinnern, daß sie seine Frage nicht beantwortet hatte. «Lieben Sie ihn nun also?»
    «Ich sagte Ihnen ja: man kann sich dazu bringen, jedermann zu lieben. Außerdem hat er eine widerliche Kindheit gehabt.»
    «Wenn die so widerlich war, warum klammert er sich dann an ihr fest?»
    «Brauchen Sie mal Ihren Kopf. Können Sie denn nicht sehen, daß sich Rusty einfach sicherer in seinen Windeln fühlt als in einem Damenrock? Welche Wahl es für ihn nämlich wirklich bedeuten würde, nur ist er in der Beziehung sehr empfindlich. Er hat mich mit einem Buttermesser erdolchen wollen, weil ich ihm erklärte, daß er erwachsen werden und der Angelegenheit ins Gesicht sehen solle, indem er sich häuslich niederläßt und trautes Heim mit einem netten väterlichen Lastwagenfahrer
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