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Frühling, Freunde, freche Fohlen

Frühling, Freunde, freche Fohlen

Titel: Frühling, Freunde, freche Fohlen
Autoren: Tina Caspari
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sie ein und beobachtete sie dabei genau. Die Stute beruhigte sich scheinbar, aber gleich darauf begann sie von neuem unruhig hin und her zu wandern; dann legte sie sich hin, stand wieder auf und scharrte ungeduldig.
    „Du lieber Himmel, das hat mir gerade noch gefehlt!“ stöhnte Bille. „Kein Mensch außer mir im Stall und dann dieser Schneesturm — und Jacaranda fohlt ! Ich muß sofort den Tierarzt anrufen!“
    Um ganz sicherzugehen, beobachtete sie die Stute noch ein paar Minuten. Aber das Zittern, das jetzt in regelmäßigen Abständen durch den Pferdekörper lief, ließ keinen Zweifel zu: Jacaranda würde noch heute abfohlen.
    Bille lief in die Sattelkammer hinüber und stürzte ans Telefon. Bei Dr. Dörffler meldete sich die Hauswirtschafterin.
    „Der Herr Doktor ist unterwegs, Fräulein Abromeit, das kann spät werden. Soll ich was ausrichten?“
    „Ja, bitte!“ rief Bille aufgeregt. „Es ist sehr wichtig! Einer der Stuten...“ Knacks! machte es in der Leitung. „Hallo, hallo, hören Sie mich noch? Hallo! Verdammt, tot! Daß das aber auch bei jedem Sturm wieder passieren muß!“ schimpfte Bille und knallte wütend den Hörer auf.
    Was sollte sie tun? Plötzlich wurde sie von hemmungsloser Panik überfallen. Noch nie war sie mit einer fohlenden Stute allein gewesen, immer war der alte Petersen zur Stelle gewesen und meistens auch Dr. Dörffler . Wenn sie wenigstens Simon erreichen könnte! Aber der feierte zweihundert Kilometer von hier den Geburtstag seiner Großmutter. Und der Indianer kam erst spät am Abend zurück. Alle, die ihr hätten helfen können, waren unerreichbar. Bille dachte an Ignaz den Schrecklichen, ihren bewunderten Lehrer, der so grimmig aussah und doch so wunderbar sanft und sicher mit den Pferden umgehen konnte. Wie gern hätte sie ihn jetzt in der Nähe gewußt. Sie mußte Hilfe holen — egal woher!
    Mit fliegenden Fingern sattelte sie Zottel und zog ihn in die Stallgasse. Sie schlüpfte in ihren Parka, zerrte sich die Kapuze bis in die Stirn und führte Zottel in den Hof hinaus. Der Sturm packte sie, als hätte er nur darauf gewartet, sein Spiel mit ihr zu treiben. Der Schnee reichte ihr bereits bis an die Waden.
    „Tut mir leid, Dicker, aber wir müssen ein funktionierendes Telefon finden. Am besten versuchen wir’s zu Hause in Wedenbruck. Wenn die Leitung dort auch unterbrochen ist, kann vielleicht Thorsten zum Tierarzt fahren.“
    Bille schwang sich in den Sattel und trieb Zottel kräftig an.

    Aber kaum hatte sie den Stall hinter sich gelassen, verließ die panische Stimmung sie so plötzlich, wie sie sie überfallen hatte.
    „Ich bin ein Idiot!“ sagte Bille laut. „Ich kann sie doch nicht einfach allein lassen! Ich muß bei ihr bleiben. Irgendwie werde ich es schon schaffen.“
    Zottel war sichtlich erleichtert, als es zurück in den Stall ging. Bille warf den Sattel in die Stallgasse, aufräumen konnte sie später. Jetzt mußte sie sich um Jacaranda kümmern. In Gedanken zählte sie auf, was beim Abfohlen zu beachten war. Sie hatte es oft genug beobachtet und sich gründlich eingeprägt.
    Zuerst Wasser abkochen. Saubere Handtücher bereitlegen. Was wurde möglicherweise aus der Stallapotheke gebraucht? War die Box genügend mit Stroh ausgepolstert? Bille war jetzt vollkommen ruhig und konzentriert, rasch und sicher führte sie jeden Handgriff aus. Zunächst stellte sie in der Stallgasse alles bereit, was sie unter Umständen benötigen würde. Dann band sie mit einer sauberen Bandage den Schweif der Stute ein und wusch After, Scham und Euter mit einem milden Desinfektionsmittel sorgfältig ab, um das Fohlen vor Krankheitskeimen zu schützen. Schließlich polsterte sie die Wände der Box noch einmal mit einer dicken Schicht Stroh aus, so daß sie ein behagliches Nest bildeten.
    Bille hatte ihre Vorbereitungen gerade beendet, als das Fruchtwasser abging. Nun würde es nicht mehr lange dauern. Jacaranda legte sich hin, gleich mußten die Preßwehen beginnen.
    Mit Entsetzen stellte Bille fest, daß die Stute sich viel zu nah an die Boxenwand gelegt hatte. So hatte das Fohlen unmöglich Platz genug, auf die Welt zu kommen, und es konnte sich verletzen! Jacaranda mußte noch einmal aufstehen, aber würde sie es schaffen, die Stute hochzutreiben?
    Bille haßte es, die Stute in diesem Moment so hart anzufassen, aber es mußte sein. Nach ein paar kräftigen Klapsen und anfeuernden Zurufen erhob sich Jacaranda halb und sank zurück ins Stroh, aber der Ansatz reichte aus,
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