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Frozen Time (German Edition)

Frozen Time (German Edition)

Titel: Frozen Time (German Edition)
Autoren: Katrin Lankers
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aus. Selbst aus der Entfernung kann ich erkennen, wie perfekt ihr Gesicht geglättet ist; sogar wenn sie lächelt, zeigen sich keine Falten in ihrer hellen Haut. Doch ihre Hände, die bei Holoübertragungen nie aus der Nähe gezeigt werden, sind faltig und fleckig, bemerke ich sogar aus dieser Entfernung. Nein, Samantha Figger kann ihr wahres Alter nicht vollständig verbergen.
    Kaum hat sie die Bühne betreten, verbreitet sich eine gelöste, heitere Stimmung in der Halle. Ich weiß, dass die Anwesenden nun ihren Lieblingsduft wahrnehmen, aber ich vermisse den Vanillegeruch nicht, den ich früher mit dem Auftreten der Präsidentin verbunden habe. Im Gegenteil: Inzwischen weiß ich, dassich auf diese Weise bloß manipuliert wurde, und diese positiven Empfindungen erscheinen mir falsch.
    »Verehrte Gäste, Bürger der Vereinigten Europäischen Nationen.« Samantha Figgers angenehme Stimme schallt durch die Halle. Ihre Augen schweifen über die Versammlung und bleiben für einen Moment auf den Medienleuten mit ihren Holokameras hängen, die die Rede der Präsidentin live auf die SmartSets und Monitore in allen Metropolen übertragen.
    »Dies ist ein besonderer Tag für uns alle. Denn heute feiern wir gemeinsam einen besonderen medizinischen Erfolg. Einen Erfolg, wie es ihn nur in einer Gesellschaft wie der unseren geben kann. Wir alle arbeiten jeden Tag für Gesundheit, Glück und ein langes Leben. In diesem ForschungsCenter, in dem wir uns heute versammelt haben, ist es gelungen, einen Traum zu erfüllen, der schon vor der Gründung unserer Staatengemeinschaft viele Menschen mit Hoffnung erfüllt hat. Wir haben es geschafft, den Tod zu überwinden!«
    Wieder brandet Applaus auf. Doch ich spüre, wie sich mein Magen hebt, als ich die Doppeldeutigkeit ihrer Worte erkenne. Für alle, die nicht wissen, worum es bei
Projekt Frozen Time
in Wirklichkeit geht, spricht die Präsidentin nur von denjenigen Menschen, die von einst unheilbaren Krankheiten befallen und eingefroren wurden und die nun erweckt und geheilt wurden. Sie spricht von besonders verdienten Bürgern, die mit der Hoffnung auf ein verlängertes Leben in ferner Zukunft eingefroren wurden. Doch für Samantha Figger geht es um weit mehr: um Unsterblichkeit.
    Plötzlich begreife ich auch, womit sie vermutlich die Medis geködert hat, die die Operationen im Keller durchführen. DieAussicht auf ein immer wieder erneuerbares Leben dürfte verlockend genug gewesen sein, um einige von ihnen ihr Gewissen vergessen zu lassen. Einige, aber nicht alle. Rose Bischop zum Beispiel, meine einstige Konkurrentin, wurde genau wie ich verjüngt, vermutlich weil sie nicht schweigen wollte, als ihr klar wurde, dass ihre eigenen Forschungsergebnisse einen Fehler aufwiesen. Ich tue das hier auch für dich, Rose, denke ich und konzentriere mich wieder auf Samantha Figgers Rede.
    »Bürger, die einst dem Tod ausgeliefert zu sein schienen, erhalten nun ein zweites Leben«, fährt die Präsidentin mit ihrer Ansprache fort, als der Beifall wieder etwas abgeebbt ist. »Und all diejenigen, die über die vergangenen Jahre die Ehre hatten, in
Projekt Frozen Time
aufgenommen zu werden, können wir schon in Kürze wieder erwecken und ihre Hoffnung auf ein neues, ein jüngeres Leben wahr machen!«
    Die Präsidentin legt gekonnt eine rhetorische Pause ein, in der Halle ist es absolut still geworden. Entsetzt schließe ich die Augen. Die Anspannung in meinem Körper ist kaum noch zu ertragen, als mir klar wird, was diese Ankündigung bedeutet. Bislang habe ich gar nicht darüber nachgedacht, was mit den Hunderten von
Frozen
passieren wird, die bereits als Auszeichnung für ihr Lebenswerk in das Projekt aufgenommen wurden. Doch mittlerweile weiß ich, wie skrupellos die Präsidentin ist.
    Es ist durchaus denkbar, dass sie vorhat, alle diese Bürger wieder zu erwecken und ihnen eine Verjüngung zu ermöglichen, um damit die Bedeutung von
Projekt Frozen Time
in der Gesellschaft weiter zu stärken – und ihre eigene Verjüngung dadurch zu einer Selbstverständlichkeit zu machen! Das Einzige, was dafür nötig wäre, wären ausreichend viele unfreiwillige Organspender. Undwürde die Präsidentin die Anhebung der staatlichen Geburtenrate beschließen, stünde schon in nicht allzu ferner Zukunft eine ausreichende Menge Menschenmaterial zur Verfügung.
    Dieses Gedankenspiel ist so grauenhaft, dass mir davon schwindelig wird und ich mich an der Säule festhalten muss, als Samantha Figger sich mit strahlendem
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