Frozen Time (German Edition)

einem
Frozen
einzupflanzen. Für jeden
Frozen
, der ein zweites Leben erhält, muss ein Mensch sterben.«
    Die Aufnahme zoomt auf den Patientenavatar. Als plötzlichsämtliche Organe rot aufleuchten, sind erste empörte Rufe aus der Zuschauermenge zu vernehmen. Niemand hier braucht eine Erklärung für das, was auf dem Screen hinter der Präsidentin zu sehen ist. Samantha Figger steht noch immer auf der Bühne, Zorn zeichnet sich auf ihrem Gesicht ab, doch sie ringt ihn nieder.
    »Abschalten, schaltet diese Verleumdungen auf der Stelle ab«, ruft sie den Officern zu, die angefangen haben, die Terminals zu kontrollieren.
    Milos Stimme aber übertönt alles, als er sagt: »Und das ist noch nicht die ganze Wahrheit. Denn bei
Projekt Frozen Time
geht es um weit mehr als nur darum, die
Frozen
zu neuem Leben zu erwecken. Es geht darum, Menschen ein komplettes zweites Leben zu schenken. Es geht darum, Menschen zu verjüngen! Alte Menschen werden wieder jung. Und junge Menschen müssen dafür sterben!«
    Ein Officer erreicht das richtige Datenterminal genau in dem Moment, als Milo diesen letzten Satz ausgesprochen hat. Mit flacher Hand schlägt er auf das TouchScreen, und das Gerät schaltet ab. Doch die Zuschauermenge in der Halle und auch davor brodelt bereits.
    »Lügen, das sind alles Lügen«, brüllt Samantha Figger gegen das aufgebrachte Getöse an, sie hat ihre Maske fallen lassen und lässt ihrem Zorn nun freien Lauf. »Dafür gibt es keine Beweise!«
    Auch ich bin wütend. Alle diese Bilder noch einmal zu sehen, all diese furchtbaren Erkenntnisse noch einmal vorgeführt zu bekommen und die Erinnerungen an das, was mir angetan wurde, noch einmal zu durchleben, die Schuld zu spüren, die mich für den Rest meines zweiten Lebens nicht mehr verlassen wird,dass ein anderer Mensch getötet wurde, damit ich verjüngt werden konnte, all das hat meine Wut ins Unermessliche gesteigert. Wenn ich dem Ganzen ein Ende bereiten will, dann muss ich diese Schuld hier und vor allen eingestehen!
    Entschlossen trete ich hinter der Säule hervor und schalte im selben Augenblick das SmartSet wieder ein. Sein grüner Strahl fällt direkt neben Samantha Figger auf die weiße Wand und zeigt den Vermerk, der über die Präsidentin im Datenterminal von
Projekt Frozen Time
abgespeichert war:
Zur Verjüngung vorgemerkt! Höchste Priorität
. Darunter erscheinen meine eigenen Patientendaten, die für alle gut sichtbar die gelungene Verjüngung samt Organtransplantation belegen.
    »Doch, es gibt einen Beweis«, rufe ich so laut ich kann in die plötzlich wieder eingetretene Stille hinein. »Mich!«

EPILOG
    10   Jahre später
    »Bürger der Vereinigten Europäischen Nationen, wie geht es euch?« Die Nachrichtensprecherin lächelt so breit wie eh und je, doch kaum hat sie uns fröhlich begrüßt, setzt sie eine ernste Miene auf. »Die ehemalige Präsidentin Samantha Figger ist heute Morgen im Alter von 135   Jahren eines natürlichen Todes gestorben. Die letzten zehn Jahre ihres Lebens hatte die Expräsidentin unter streng kontrolliertem Hausarrest verbracht. Der Rat der Generationen hat bekannt gegeben, dass das ursprüngliche Gesetz außer Kraft gesetzt wurde, das eine kryonische Konservierung des Körpers der Präsidentin vorsah, und dass der Leichnam, wie es in den VEN für alle Bürger üblich ist, ins Krematorium überführt werden wird.«
    Milo, der neben mir auf dem breiten Zweisitzer in unserem Appartement hockt, legt einen Arm um meine Schulter. Er scheint gespürt zu haben, dass ich zusammengezuckt bin, als so unvermittelt Samantha Figgers Name genannt wurde. Um die ehemalige Präsidentinist es ruhig geworden in den letzten Jahren, und dennoch jagt die Erinnerung an unsere einzige Begegnung mir immer noch einen Schauer über den Rücken. Ich kuschele mich enger in Milos Umarmung, während die Nachrichtensprecherin sich mit einem erneut strahlenden Lächeln verabschiedet: »Bürger der VEN, ich wünsche euch Gesundheit, Glück und ein langes Leben.«
    Das Staatensymbol dreht sich noch vor uns im Raum, als eine Mitteilung auf meinem SmartSet eintrifft.
    »Es ist Doreen«, sage ich überrascht zu Milo, »sie steht vor der Tür.« Auch Milo wirkt erstaunt, normalerweise treffe ich mich mit meiner alten Freundin im SeniorCenter, bisher ist sie noch nie zu uns gekommen, aber mit einem kurzen Befehl aktiviert er den Türöffner.
    »Tessa, Milo, schön, euch zu sehen«, sagt Doreen überschwänglich, als sie ins Appartement kommt, und