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Frostkuss

Frostkuss

Titel: Frostkuss
Autoren: Jennifer Estep
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Armband wirklich geben wollte. Und es war entgegen seinen Behauptungen nicht Leta Gaston.
    »Wie versprochen«, sagte ich. »Du bist dran.«
    »Danke, Gwen.«
    Er legte einen Hundert-Dollar-Schein, die zweite Hälfte meines Finderlohns, auf meinen Tisch. Ich nahm das Geld und schob es in die Hosentasche.
    Grundsätzlich ignorierte ich alle Schüler auf Mythos, und sie ignorierten mich – zumindest, bis sie etwas finden mussten. Dasselbe hatte ich schon auf meiner alten, öffentlichen Highschool getan, wann immer ich ein wenig zusätzliches Geld brauchte. Für eine angemessene Summe fand ich Dinge, die verloren gegangen, gestohlen worden oder auf andere Weise verschwunden waren. Schlüssel, Geldbeutel, Handys, Haustiere, herrenlose BHs und verknitterte Boxershorts.
    Ich hatte in einer Mathestunde mitbekommen, wie sich eine Amazone darüber beschwerte, dass sie ihr Handy verloren hatte, also hatte ich angeboten, es für sie zu finden, wenn sie mir einen kleinen Finderlohn zahlte. Sie hatte mich für verrückt gehalten – bis ich ihr Handy aus den Tiefen ihres Schrankes gezogen hatte. Es stellte sich heraus, dass sie es in einer anderen Handtasche vergessen hatte. Danach sprach sich meine Begabung herum. Bis jetzt war es nicht gerade ein Erfolgsgeschäft, aber ich hatte mein Auskommen.
    Da meine Gypsygabe mich dazu befähigte, einen Gegenstand zu berühren und sofort seine Geschichte zu wissen, zu sehen und zu fühlen, war es nicht allzu schwer für mich, Dinge zu finden oder Vorgänge zu erschließen. Sicher, wenn etwas fehlte, konnte ich das Ding selbst nicht berühren – sonst wäre es ja nicht verloren. Aber die Leute hinterließen überall Schwingungen – in Bezug auf alles Mögliche. Was sie zum Mittagessen gegessen hatten, welchen Film sie am Abend anschauen wollten, was sie von ihren angeblich besten Freunden wirklich hielten.
    Gewöhnlich musste ich nur die Finger über den Schreibtisch eines Kerls gleiten lassen oder mich einmal durch die Handtasche eines Mädchens graben, um eine ziemlich gute Vorstellung davon zu bekommen, wo er seinen Geldbeutel liegen gelassen oder wo sie ihr Handy hingeschmissen hatte. Und wenn sich mir der exakte Fundort des verlorenen Gegenstandes nicht sofort erschloss, berührte ich einfach weiter Dinge, bis ich ihn fand – oder ein Bild von demjenigen vor meinem inneren Auge aufblitzte, der ihn vielleicht gestohlen hatte. Wie das Bild von Daphne Cruz, die das Bettelarmband von Carsons Schreibtisch nahm. Manchmal fühlte ich mich wie Kalle Blomquist oder vielleicht eher wie Gretel, die einer Spur aus übersinnlichen Brotkrumen folgt, bis sie findet, wonach sie sucht.
    Es gibt sogar einen Namen für das, was ich kann – Psychometrie. Eine schicke, pseudowissenschaftliche Bezeichnung dafür, dass in meinem Kopf Bilder und die Gefühle anderer Leute aufblitzten – ob ich es nun will oder nicht.
    Trotzdem, ein Teil von mir mochte es, die Geheimnisse der anderen zu kennen – all diese großen und kleinen Dinge zu wissen, die sie so verzweifelt vor anderen und manchmal sogar vor sich selbst versteckten. Es gab mir das Gefühl, klug und stark und mächtig zu sein – und löste in mir eine tiefe Entschlossenheit aus, niemals etwas Dummes anzustellen, wie mich zum Beispiel in Unterwäsche von einem Kerl fotografieren zu lassen.
    Verlorene Handys wiederzufinden mochte nicht gerade der glamouröseste Job der Welt sein, aber es war besser, als bei MacD fettige Pommes zu wenden. Und hier auf Mythos verdiente ich damit um einiges besser als auf meiner alten Highschool. Dort hätte ich mich schon glücklich schätzen können, für ein verlorenes Armband zwanzig Dollar zu bekommen statt den zweihundert, die Carson mir gegeben hatte. Das zusätzliche Geld gehörte zu den wenigen Dingen, die ich an der dämlichen Akademie mochte.
    »Wo war es?«, fragte Carson. »Das Armband, meine ich?«
    Für einen Moment erwog ich, Daphne zu verpetzen und Carson von ihrer Schwärmerei für ihn zu erzählen. Aber nachdem die Walküre mich nicht übermäßig unfreundlich behandelt hatte und mir nur ein winziges bisschen gedroht hatte, entschied ich, diese Information für eventuell schlechtere Zeiten aufzusparen. Nachdem ich kein Geld hatte, nicht stark und auch nicht übermäßig magisch begabt war wie der Rest der Schüler auf der Akademie, waren Informationen mein einziges echtes Druckmittel. Ich sah keinen Grund, warum ich sie nicht schon einmal für alle Fälle sammeln sollte.
    »Oh, ich habe es hinter
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