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Frostkuss

Frostkuss

Titel: Frostkuss
Autoren: Jennifer Estep
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Wochen nach der Beerdigung meiner Mom, war Professor Metis im Haus von Grandma Frost aufgetaucht. Ich wusste nicht genau, was Metis ihr gesagt hatte, aber danach hatte Grandma verkündet, dass es endlich Zeit für mich sei, auf die Mythos Academy zu gehen, um zu lernen, meine Gypsygabe voll zu nutzen. Ich hatte gedacht, ich könnte meine Psychometrie schon recht gut kontrollieren, und ich hatte nie wirklich verstanden, was meine Grandma meinte, als sie endlich gesagt hatte. Als hätte ich schon längst in die Mythos Academy gehen sollen oder irgendwas …
    »… Gwen?«
    Mein Name riss mich aus den Erinnerungen. »Was?«
    Metis musterte mich über die Gläser ihrer Brille hinweg. »Ich habe dich gefragt, welche Göttin für den Sieg des Pantheons über Loki und die Schnitter verantwortlich war.«
    »Nike, die griechische Göttin des Sieges«, antwortete ich automatisch.
    Professor Metis runzelte die Stirn. »Woher weißt du das, Gwen? Ich habe Nike noch gar nicht erwähnt. Hast du bereits das nächste Kapitel gelesen? Sehr fleißig.«
    Ich hatte genau das am gestrigen Abend getan, hauptsächlich, weil ich mich unglaublich gelangweilt hatte und nichts Anständiges im Fernsehen gelaufen war. Angesichts meines Mangels an Freunden in Mythos war es ja nicht so, als hätte ich sonst viel zu tun.
    Ich ging nicht davon aus, dass Metis mich mit ihren Worten bloßstellen wollte, trotzdem breitete sich leises Kichern im Raum aus. Ich wurde rot und ließ mich ein wenig tiefer in meinen Stuhl sinken. Großartig. Jetzt würden mich alle für diese Strebergypsy halten, die nichts Besseres zu tun hatte, als vorzulernen. Vielleicht war es ja wahr, und vielleicht war ich tatsächlich unglaublich stolz auf meinen Einser-Schnitt, aber ich wollte nicht, dass die anderen davon erfuhren.
    Dann ging mir auf, dass ich keine Ahnung hatte, woher ich die Antwort auf Metis’ Frage wusste. Ich hatte keinerlei Erinnerung an eine Erwähnung von Nike in dem Kapitel, das ich gelesen hatte. Aber nachdem das bei Weitem nicht das Seltsamste war, das mir bisher auf Mythos passiert war, verdrängte ich die Frage wieder.
    Professor Metis brachte den Jungen, der am lautesten lachte, mit einem strengen Blick zum Schweigen, bevor sie ihm eine sogar noch abwegigere Frage über die Schnitter stellte.
    Sobald ich mir sicher war, dass Metis mich nicht noch einmal aufrufen würde, starrte ich wieder aus dem Fenster und brütete weiter über der Tatsache, dass ich am Tod meiner Mutter schuld war, weil ich die Haarbürste des falschen Mädchens hochgehoben hatte.

Mythengeschichte war meine letzte Stunde an diesem Tag. Sobald es klingelte, stopfte ich mein Buch in die Tasche.
    »Bis dann, Gwen.«
    Carson Callahan rief mir einen fröhlichen Gruß hinterher, während er die Plastiktüte mit dem Bettelarmband in die Tasche seiner Designertarnhose schob. Ich nickte ihm zu, warf mir meine Tasche über die Schulter und ging.
    Ich wanderte den überfüllten Flur entlang, nahm die erste Tür, die ich fand, und trat nach draußen. Das Herz der Mythos Academy bestand aus fünf Gebäuden – das mathematisch-naturwissenschaftliche Gebäude, das Gebäude für Englisch und Geschichte, die Turnhalle, der Speisesaal und die Bibliothek. Alle standen in einer lockeren Gruppe beisammen und bildeten die fünf Spitzen eines Sterns. Obwohl ich jetzt schon seit zwei Monaten auf diese Schule ging, sahen die Gebäude für mich immer noch alle gleich aus – dunkelgraue Steinmauern, die von dicken Efeuranken überwachsen waren. Große, unheimliche gotische Strukturen mit Türmen und Zinnen und Balkonen. Auf allen Gebäuden kauerten Statuen der verschiedensten mythologischen Monster wie Greife und Drachen. Ihre Mäuler waren in schweigendem Knurren aufgerissen.
    Zwischen den fünf Gebäuden lag ein riesiger begrünter Hof, über den sich gewundene Pfade zogen. Dahinter führte ein Weg den Hügel hinab und erreichte schließlich die Wohnheime und die anderen Bauwerke, die zum luxuriösen Schulgelände gehörten. Überall gedieh trotz der Oktoberkälte grünes Gras, und hier und da breiteten große Ahornbäume und Eichen ihre dicken Äste, an denen die letzten Blätter blutrot und grellorange leuchteten, über die Wiesen.
    Ich schloss meine Kapuzenjacke, stopfte die Hände in die Taschen und ging quer über den Hof, wobei ich den Schülergruppen auswich, die anhielten, um sich zu unterhalten oder ihre Handys herauszuziehen und ihre SMS zu lesen. Ich hatte den Platz schon halb überquert, als
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