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Frostkuss

Frostkuss

Titel: Frostkuss
Autoren: Jennifer Estep
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Meter hohe Steinmauer die Mythos Academy vom Rest der Welt trennte. Rechts und links vom Tor lauerten zwei Sphingen auf der Mauer und starrten das schwarze, schmiedeeiserne Gitter an, das zwischen ihnen lag.
    Angeblich waren die Mauer und das Tor verzaubert, getränkt mit magischen Sprüchen und anderem Hokuspokus, sodass nur Leute, die berechtigt waren, sich in der Akademie aufzuhalten – Schüler, Lehrer und so weiter –, das Tor durchqueren konnten. Als ich am Anfang des Herbstsemesters nach Mythos gekommen war, hatte Professor Metis mich vor dem Tor anhalten lassen, direkt vor den zwei Sphingen, während sie mit leiser Stimme ein paar Worte gesprochen hatte. Die Statuen hatten sich nicht bewegt, hatten nicht geblinzelt, hatten nichts anderes getan, als starr auf ihren Logenplätzen zu sitzen, aber trotzdem hatte ich in den Steinfiguren etwas gespürt – irgendeine alte, uralte, gewalttätige Macht, die mich in Stücke reißen konnte, wenn ich nur einen falschen Atemzug tat. Das war meine erste unheimliche Erfahrung auf Mythos gewesen. Zu dumm, dass es nicht die letzte geblieben war.
    Nachdem Metis ihren Singsang, Zauber oder was auch immer beendet hatte, erklärte sie mir, dass ich das Schulgelände jetzt jederzeit betreten könne. Als hätte ich das Passwort zum supergeheimen Unterschlupf der Superhelden erhalten oder so. Ich wusste nicht genau, was passieren würde, wenn jemand, der nicht hierher gehörte – nehmen wir mal an einer von den bösen Schnittern –, versuchen sollte, über die Mauer zu klettern oder sich durchs Tor zu mogeln. Aber ich ging davon aus, dass diese Sphingen mit ihren langen, gebogenen Krallen nicht nur der Dekoration dienten.
    Ich dachte hier über eine Menge Sachen nach, die ich besser einfach vergessen hätte.
    Metis hatte mir außerdem erklärt, dass die Sphingen nur geschaffen worden seien, um Leute fernzuhalten. Sie dienten nicht dazu, die Schüler gefangen zu halten, und ich solle keine Angst vor ihnen haben. Es fiel mir sowieso recht schwer, Angst vor etwas zu haben, an das ich nicht wirklich glaubte. Zumindest redete ich mir das jedes Mal ein, wenn ich mich vom Campus schlich.
    Ich sah mich kurz um und überzeugte mich davon, dass niemand sonst zu sehen war. Dann joggte ich zum Tor, drehte mich seitlich, zog den Bauch ein und schob mich durch einen der Freiräume zwischen den Gittern. Ich schaute nicht zu den Sphingen auf, hatte aber das Gefühl, ihre wachsamen Augen auf mir zu spüren. Sie sind nur Statuen , beruhigte ich mich selbst. Einfach Statuen. Und hässlich dazu. Sie können mir nicht wehtun. Wie denn?
    Eine Sekunde später war ich durch. Ich atmete auf und ging weiter. Ich drehte mich nicht um oder sah zu den Statuen zurück, um festzustellen, ob sie mich vielleicht doch beobachteten. Egal, ob ich nun an die Magie der Sphingen glaubte oder nicht, ich war klug genug, das Schicksal nicht herauszufordern.
    Schüler durften den Campus unter der Woche eigentlich nicht verlassen. Deswegen war auch das Tor geschlossen. Professor Metis und die anderen Mächtigen der Schule hatten die ganzen Krieger-Checker lieber in ihrer Nähe, wo sie ein Auge auf sie haben konnten. Zumindest an Wochentagen.
    Aber ich schlich mich vom Gelände, seit ich vor zwei Monaten auf Mythos angekommen war, und ich hatte gesehen, wie andere Schüler das Gleiche taten. Meistens, um Bier oder Zigaretten zu holen. Was war das Schlimmste, was sie mir deswegen antun konnten? Mich rauswerfen? Nach all dem unheimlichen Zeug, das ich hier beobachtet hatte, wäre ich begeistert , wieder auf eine öffentliche Highschool zu gehen. Ich würde mich nicht mal mehr über das schlechte Essen in der Cafeteria beschweren – zumindest nicht allzu laut.
    Mythos mochte ja seine eigene kleine Welt bilden, aber jenseits der Mauern wirkte alles erstaunlich normal. Cypress Mountain war eine nette, eigenständige kleine Vorstadt. Vor der Schule kurvte eine zweispurige Straße vorbei, und direkt gegenüber dem eindrucksvollen, mit Spitzen bewehrten Eisentor lagen verschiedene Läden. Ein Buchladen, ein paar Cafés, mehrere hochpreisige Kleidungs- und Schmuckläden, sogar ein Autohändler mit Aston Martins und Cadillac Escalades. Und natürlich ein paar gehobene Weingeschäfte, die es den Akademieschülern erlaubten, rauschende Feste zu feiern, obwohl auf dem Schulgelände Alkohol angeblich verboten war.
    Die Läden hatten sich hier angesiedelt, um die Platin-Kreditkarten und die fast bodenlosen Treuhandfonds der
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