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Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche
Autoren: Sara Paretzky
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über den Tisch gegangen, bei Ajax dagegen fast
eine Million. Interessant.
    Vielleicht sollte ich Agnes ebenfalls anrufen? Aber
ich hatte nicht mehr viel Zeit bis zu meinem Termin bei Hatfield. Ich schlang
mir einen Mohairschal um den Hals, zog Autohandschuhe an und wagte mich wieder
hinaus in das stürmische Wetter. Zwei Uhr ist eine günstige Zeit, wenn man mit
dem Wagen ins Geschäftsviertel will. Ich brauchte nicht lange bis zum
FBI-Gebäude an der Kreuzung Dearborn/Adams Street. Den Wagen parkte ich im
Parkhaus gegenüber.
    Punkt halb drei betrat ich den achtzehnten Stock, in
dem das FBI untergebracht ist. Die Empfangsdame gab Hatfield telefonisch
Bescheid. Er ließ mich zehn Minuten lang warten, wohl um mir zu demonstrieren,
wie beschäftigt er sei. Ich setzte inzwischen einen Bericht für einen
Mandanten auf, dessen Schwager anscheinend aus Verbitterung über eine alte Familienfehde
Lagervorräte geklaut hatte. Als Hatfield endlich seinen Kopf herausstreckte,
tat ich so, als sähe ich ihn nicht. Erst als er mich zum zweitenmal rief,
blickte ich lächelnd auf, bat ihn um einen Moment Geduld und schrieb in Ruhe
den Satz zu Ende.
    „Hallo, Derek“, begrüßte ich ihn. „Wie steht's mit
der Kriminalität?“
    Aus irgendeinem Grund zieht er bei dieser munteren
Begrüßung immer ein Gesicht; aber wahrscheinlich reizt mich gerade das. Er
sieht gut aus und wirkt so höflich und verbindlich, wie es das FBI von seinen
Leuten erwartet. Er trug einen graukarierten Anzug mit ganz dezenten blauen
Streifen, dazu ein gestärktes weißes Hemd und eine blaue Krawatte.
    „Ich habe nicht viel Zeit, Miss Warshawski.“ Er
schob die gestärkte Manschette zurück und sah auf die Uhr - sicher eine Rolex.
    „Äußerst schmeichelhaft, daß Sie mir einen Teil
davon widmen wollen.“ Ich folgte ihm durch den Gang in ein Eckbüro auf der
Südwestseite. Nach den Möbeln aus furniertem Holz und der Lage zu urteilen,
nahm Hatfield als Leiter der Abteilung für Wirtschaftskriminalität in Chicago
und Umgebung offenbar einen bedeutenden Platz ein.
    „Was für eine hübsche Aussicht auf den städtischen
Knast“, bemerkte ich mit einem Blick auf das dreieckige Bauwerk. „Es wird Sie
mächtig inspirieren.“
    „Von uns aus kommt keiner dorthin.“
    „Nicht mal vorübergehend?“ Ich wiegte zweifelnd den
Kopf.
    „Könnten wir das Thema jetzt lassen? Ich will mit
Ihnen über die Wertpapiere des Sankt-Albert-Klosters reden.“
    „Fabelhaft.“ Ich ließ mich auf einem unbequemen
Stuhl nieder und zauberte einen interessierten Ausdruck auf mein Gesicht. „Unter
anderem ist mir gestern der Gedanke gekommen, daß die Papiere bereits gefälscht
waren, als sie dem Kloster übergeben wurden. Wissen Sie etwas über den Stifter
und seine Testamentsvollstrecker? Allerdings ist es auch möglich, daß ein
ehemaliger Dominikaner dahintersteckt, der irgendeinen Groll im Herzen trägt.
Überprüfen Sie alle, die dem Orden in den letzten zehn Jahren den Rücken
gekehrt haben?“
    „Ich habe kein Interesse daran, den Fall mit Ihnen
zu erörtern. Wir sind durchaus in der Lage, selbst Ansatzpunkte zu finden und
zu verwerten. Uns stehen hier hervorragende Unterlagen zur Verfügung. Im
übrigen fällt diese Fälschung unter die Bundesgerichtsbarkeit. Ich muß Sie
bitten, die Finger davon zu lassen.“
    Ich beugte mich vor. „Derek, es wäre mir mehr als
recht, wenn Sie den Fall aufklären könnten. Man wird Tausenden von Spuren
nachgehen müssen. Sie haben die Möglichkeit - ich nicht. Ich will nur
verhindern, daß eine fünfundsiebzigjährige Frau unter die Räder kommt, und
deshalb möchte ich gern wissen, wie weit Sie mit Ihren Ermittlungen sind -
besonders im Hinblick auf die beiden Möglichkeiten, die ich vorhin erwähnt
habe.“
    „Wir verfolgen sämtliche Spuren.“
    Wir redeten noch eine Weile hin und her, aber er
blieb eisern. Ich ging mit leeren Händen. Von einer Telefonzelle aus rief ich
sofort Murray Ryerson beim Herald-Star an.
Murray ist Gerichtsreporter. Ich schätze ihn seit Jahren als Freund und gelegentlich
auch als Liebhaber; wenn's um Straftaten geht, sind wir schnell Rivalen.
    „Hallo, Murray. Ich bin's. V. I. Findest du drei Uhr
zu früh für einen Drink?“
    „Das ist keine Frage für's Kriminalressort. Ich
verbinde mit unserem Fachmann für Etikette.“ Er machte eine Pause. „Morgens
oder nachmittags?“
    „Jetzt, du Klugscheißer. Ich lade dich ein.“
    „Meine Güte, Vic, du mußt ja am Rande der
Verzweiflung sein. Aber
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