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Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche
Autoren: Sara Paretzky
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Stephen zu
Rande kommen. Er ist ein guter Mensch - nur manchmal etwas hitzig.“
    „Hitzig?“ Pelly hatte die Stirn gerunzelt. „Ihm
fehlt völlig -“ Er brach ab. Offenbar wollte er seine Kritik für das Kapitel
aufsparen. „Tut mir leid, Prior. Vielleicht sollte ich wieder nach San Tomas
zurückkehren. In Gedanken bin ich sowieso die ganze Zeit dort.“
     
    4 Ein
Wiedersehen
     
    Es war kurz vor drei, als ich mich zu meinem Büro im
Pulteney-Gebäude in der südlichen Innenstadt durchkämpfte. Manchmal finde ich
den alten Kasten gar nicht so übel. Ihm fehlt nur eine ordentliche Verwaltung.
Für Bürohäuser ist diese Gegend schlecht, denn gleich um die Ecke sind die
Slums, das Stadtgefängnis, die Peep-Shows und die schäbigen Bars.
    Ich parkte den Wagen an der Adams Street und lief
das Stück zurück zum Büro. Der Schneeregen hatte aufgehört.
    Der Himmel war noch verhangen, aber die Gehsteige
waren schon fast trocken, so daß ich meine geliebten Magli-Pumps heil bis ins
Haus brachte.
    In der Halle las ich eine leere Whiskeyflasche auf.
Ich konnte mir nicht leisten, einen sehnlichst erwarteten millionenschweren
Kunden darüber stolpern und gleich wieder umkehren zu lassen.
    Ausnahmsweise funktionierte sogar der Fahrstuhl. Er
kam ächzend aus dem sechzehnten Stock herunter und beförderte mich widerwillig
in den vierten Stock. Mein Büro liegt am Ostende des Korridors, dort, wo die
ohnehin günstigen Mieten wegen der darunter hinwegführenden Dan-Ryan-Hochbahn
noch niedriger sind. Gerade als ich die Tür öffnete, dröhnte ein Zug vorbei.
    Da ich so selten im Büro bin, lege ich keinen großen
Wert auf die Möblierung. Den alten Schreibtisch aus Holz habe ich auf einer
Polizei-Auktion erstanden. Außerdem besitze ich noch zwei hochlehnige Stühle
für die Mandanten und einen für mich selbst, dazu einen olivgrünen
Aktenschrank, über dem als einziges Zugeständnis an meinen Schönheitssinn ein
Kupferstich der Uffizien prangt.
    Während ich die Post öffnete, die sich im Laufe der
Woche angesammelt hatte, telefonierte ich mit dem Auftragsdienst. Ich erfuhr,
daß Derek Hatfield mich am nächsten Morgen um neun in seinem Büro erwartete.
Ich rief beim FBI an. Natürlich war Hatfield nicht da. Mit seiner Sekretärin
verhandelte ich über einen neuen Termin um drei Uhr nachmittags. Nach einigem
Hin und Her einigten wir uns auf halb drei.
    Die zweite Nachricht war eine freudige Überraschung:
Roger Ferrant hatte angerufen. Er war Engländer und arbeitete für eine
Londoner Versicherungsgesellschaft, die bei der Explosion eines Frachters auf
den Großen Seen schadenersatzpflichtig war. Ich hatte ihn im vergangenen Frühjahr
kennengelernt, als ich den Unglücksfall untersuchte; für seine Firma standen
dabei fünfzig Millionen Dollar auf dem Spiel. In seiner Gegenwart war ich eines
Abends in einem Steakhaus der gehobenen Klasse sanft entschlummert. Seit jenem
Tag hatten wir uns nicht mehr gesehen.
    Ich erwischte ihn im Hancock-Gebäude, wo er ein
Apartment seiner Firma bewohnte. „Roger! Was treibst du denn in Chicago?“
    „Hallo, Vic. Scupperfield & Plouder haben mich
für einige Wochen hergeschickt. Wann gehen wir essen?“
    „Bekomme ich noch mal eine Chance? Oder hat dir
meine Vorstellung beim erstenmal so gefallen, daß du auf eine Zugabe scharf
bist?“
    Er lachte. „Keins von beiden. Also, wie sieht's aus?
Bist du diese Woche schon ausgebucht?“
    Wir verabredeten uns für den gleichen Abend um halb
acht zu einem Drink bei ihm zu Hause. Als ich auflegte, hatte sich meine
Stimmung wesentlich gebessert. Rasch sah ich die restliche Post durch. In
einem Umschlag lag tatsächlich ein Scheck über dreihundertfünfzig Dollar. Ich
konnte mich zu meinen Mandanten wirklich beglückwünschen. Bevor ich das Büro
verließ, tippte ich auf meiner alten Olivetti ein paar Rechnungen. Dann
löschte ich das Licht und schloß ab. Draußen herrschte das übliche
Feierabendgedränge. Geübt kämpfte ich mich zu meinem Wagen durch und reihte
mich erneut in den Stoßverkehr ein.
    Ich ertrug den Stau mit Sanftmut. An der Ausfahrt
Belmont Avenue verließ ich die Kennedy-Schnellstraße und fuhr mit dem Scheck
noch bei meiner Bank vorbei. Zu Hause zog ich mich um. Zu meinem gelben
Seidentop fischte ich mir eine schwarze Samthose aus dem Kleiderschrank, dazu
einen Schal in Schwarz und Orange. Eine auffallende Kombination - aber
keineswegs zu schreiend.
    Ferrant, der mich überschwenglich im Firmenapartment
von Scupperfield &
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