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Frische Spur nach 70 Jahren

Frische Spur nach 70 Jahren

Titel: Frische Spur nach 70 Jahren
Autoren: Stefan Wolf
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Heringssalat.
    Wenn er das nicht gleich heim
bringt dachte sie, ist alles verdorben: ranzig, sauer, gammelig. Hoffentlich
denkt er daran. Aber diese Barbara! Kaum ist er mit der zusammen, vergisst er
die Welt um sich. Dieses Mensch — in Gedanken und nur da nannte sie Barbara
Schollgast-Öhmke so — verdreht ihm den Kopf.
    Die Kuh missglückte etwas, sah
jetzt mehr wie ein Nilpferd aus und Hilde übermalte den hinteren Teil.
    Dann hörte sie ein Geräusch im
Parterre. Aha! Der Herr Enkel war zurück. Hoffentlich roch der Fisch nur wie
Fisch und nicht wie ein vergammelter Mittelmeerstrand.
    Sie trat an die Tür. Eine
schmale Treppe führte hinunter.
    „Klauauauauauaus!“
    Keine Antwort. Hilde horchte,
rief noch zweimal und stieg dann die Treppe hinab.
    Trotz ihrer Jahre war sie
flink, hatte früher auch Sport unterrichtet und hielt sich noch heute fit — mit
Senioren-Gymnastik und langen Wanderungen.
    Stille im Haus. Niemand war im
Parterre. Kein Klaus. Auch sein kleiner VW parkte nicht am Gartenzaun, wie sie
durchs Fenster sah.
    Hilde besaß den gleichen Wagen.
Aber ihrer war neuer und natürlich — blau. Auch er ein Laternenparker, denn das
kleine Grundstück hatte keine Garage.
    Wieder horchte die Oma. Hatte
sie sich getäuscht — oder wirklich was gehört. Seit dem Einbruch im vorigen
Jahr war sie überaus vorsichtig geworden. Der Einbrecher hatte großen Schaden
angerichtet — und war bis heute nicht gefasst worden. An jenem Abend waren
weder Klaus noch sie zu Hause gewesen.
    Die Stille hielt an.
    In den Parterre-Räumen war
niemand. Aber Hilde konnte sehr eigensinnig sein und beharrte jetzt geradezu
darauf, etwas gehört zu haben. Was auch immer: das Knarren einer Tür, ein
Hüsteln, eine knackende Diele oder Klaus’ Schlurfschritt.
    Hauptsache kein Einbrecher.
    In der Küche bewaffnete sie sich
mit der gusseisernen Bratpfanne, die nie benutzt wurde und nur als Dekoration
an der Wand hing. Damit konnte man sicherlich einen Ochsen betäuben und Hilde
hatte in jungen Jahren als Tennisspielerin einen vernichtenden Aufschlag
geschmettert.
    Aus der Diele führte die
Kellertreppe in Klaus’ Reich hinunter. Er hatte den Charakter der Treppe
veredelt, die Wände bonbonfarben bemalt und Poster angebracht — überwiegend
Nachdrucke alter Werbeplakate aus den goldenen Zwanzigerjahren.
    Hilde hielt den Atem an, nahm
Stufe um Stufe, lauschte, hatte die Bratpfanne zum Schmetterball-Service
erhoben.
    Da! Ein Klappern!
    Klaus bewohnte zwei
Souterrain-Räume. Die Fenster lagen ebenerdig, den Boden bedeckten dicke
Berberteppiche, die Heizung funktionierte. Der linke Raum war sein Schlaf- und
TV-Zimmer. Den anderen hatte er sich wohnlich eingerichtet. Dort stand auch das
alte Klavier, auf dem er manchmal bis zu drei Stunden übte und sein Repertoire
( Vorrat ) an Schlagern, Jazz, Hiphop, Hardrock, Musical- und Operetten-Ohrwürmern
vergrößerte.
    Dort jetzt wieder das Klappern!
    Also doch ein Einbrecher!
    Hilde behielt die Nerven und
überlegte. Sollte sie ihm durch die geschlossene Tür befehlen, sich flach auf
den Boden zu legen — Gesicht nach unten, Hände im Genick verschränkt?
    Oder war’s besser, ihn
überfallartig zu überraschen und die Pfanne zu schwingen?
    Sie entschied sich für
Überraschung, stieß die Tür auf und stürmte hinein.
    „Hah! Haaaaaah!“
    Es sollte ein Kriegsschrei
sein. Aber der war unnötig.
    Niemand war hier. Nichts
deutete auf Einbruch hin. Doch ein Flügel des niedrigen Fensters war offen und
wurde eben nochmals vom Wind gegen die Mauerkante gestoßen.
    „Na, so was!“
    Hilde seufzte erleichtert. Ihr
Enkel hatte vergessen, das Fenster zu verriegeln. Und draußen hatte sich ein
heißer, heftiger Wind aufgemacht: der Vorbote eines Gewitters.
    Hilde schloss das Fenster.
Dabei bemerkte sie: Der Fensterflügel hatte ein gerahmtes Foto vom Fensterbrett
gestoßen, einschließlich der Unterlage, einem länglichen, speckbrett-breiten
Stück Leder, von dem man nicht genau wusste, ob es tatsächlich die
Schwanzspitze einer Python, einer Riesenschlange, gewesen war — oder ob clevere
Hersteller das schuppige Muster nur maschinell eingestanzt hatten.
    Das Foto war offenbar hinter
das Klavier gefallen, das — seitlich etwas versetzt — unterm Fenster stand.
Auch das Leder lag dort. Es ragte noch zur Hälfte hervor.
    Hilde hasste Unordnung.
    Also griff sie nach dem Leder
und legte es an seinen Platz zurück.
    Dann bemühte sie sich, auch das
Foto hervorzuholen.
    Sie konnte es sehen. Fast
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