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Frische Spur nach 70 Jahren

Frische Spur nach 70 Jahren

Titel: Frische Spur nach 70 Jahren
Autoren: Stefan Wolf
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Behinderung.“
    Karl gab einen Ton von sich,
als pfeife ihm der Atem durch die Nüstern. „Himmelherrgott!“, murmelte er und
nahm seine Nickelbrille ab.
    Fragend sahen ihn die anderen
an.
    „Erzähl erst mal weiter!“,
forderte er Gaby auf. „Dann komme ich. Das ist nämlich eine total irre
Geschichte.“ Gaby nickte. „Wie diese Kriminellen. Bei denen — sagt mein Papi —
ist keine Linie zu erkennen. Man könnte sie als vielseitig bezeichnen. Aber das
klingt wie Anerkennung. Besser, man sagt: Sie sind nicht spezialisiert.“
    „Was heißt das?“, fragte Tim.
    „Das heißt, sie begehen ganz
unterschiedliche Verbrechen. Zwar geht es fast immer um Bereicherung. Aber sie
ziehen nicht ihr Ding ab wie der trainierte Bankräuber, der stets nach der
gleichen Masche verfährt — manche wechseln ja nicht mal das Geldinstitut,
sondern überfallen immer wieder dasselbe. Im Halbjahres-Turnus oder so.
Sicherlich, weil sie dort schon die Örtlichkeit kennen, die Parkmöglichkeiten,
die Fluchtwege und das Verhalten der Angestellten. Nicht so B & C!
Die... lass mich überlegen! Papi hat mir erzählt, was die bis jetzt verübt
haben. Aber es ist ja so viel, was ich von ihm höre.“
    „Uns hast du noch nichts davon
erzählt“, sagte Tim vorwurfsvoll.
    „Anderes war wichtiger.“
    „Na gut! Also — was treiben B
& C?“
    „Ihr erster Überfall“,
berichtete Gaby, „war in der St. Kajetan-Kirche. Dort probte gerade der Chor.
An die 60 Leute. Sie wurden mit Pistolen bedroht und mussten alles Bargeld
abliefern, außerdem die Armbahnduhren und den Schmuck, den einige Frauen
trugen.“
    „Irre!“, meinte Tim.
    „Halleluja!“ Klößchen grinste.
    Karl sagte nichts, polierte
aber wie wild seine Brille. „Zweiter Überfall war auf dem Moorstätter Friedhof.
Als dort ein reicher Bauunternehmer beigesetzt wurde, waren plötzlich B
& C am Grab, hielten alle mit ihren Waffen in Schach und kassierten
ab. Sogar der Pfarrer und die Sargträger mussten ihr Geld abliefern. Aber das
war insgesamt nicht sehr viel. Darüber sind sie in Wut geraten und haben den
Sarg, der noch nicht in der Grube war, einfach reingestoßen. Verkehrt herum —
mit dem Deckel nach unten.“
    „Null Ehrfurcht vor den Toten“,
meinte Tim. „Das sind aber wirklich schlimme Typen.“
    „Es kommt noch schlimmer. Als
drittes haben sie einen Rollstuhlfahrer überfallen und...“
    „’tschuldige, Gaby!“, mischte
sich Karl ein. „Ich glaube, das war Verbrechen Nummer vier. Das dritte war der
Überfall auf die Reiterin in den Fluss-Auen. Richtig?“
    Gaby nickte heftig. „Stimmt! Du
hast es in der Zeitung gelesen, ja? — und ich dachte...“
    „Nein.“ Karl schüttelte den
Kopf. „Über B & C habe ich überhaupt nichts in der Zeitung gelesen.
Den Lokalteil lasse ich ja oft aus, weil mich Wissenschaft und Kultur mehr
interessieren.“
    „Ich lese zuerst die Politik“,
erklärte Tim, „dann den Sportteil, danach das Feuilleton und die
Wirtschaftsnachrichten. Für Sensationsanmache, Klatsch und Tratsch reicht
meistens die Zeit nicht mehr. Deshalb weiß ich auch nie, welcher europäische
Königs- oder Fürstensohn geblümte Unterhosen bevorzugt oder an Heuschupfen
leidet.“
    „Was war denn nun mit der
Reiterin?“, fragte Klößchen. „Sie wurde vom Pferd gestoßen“, berichtete Gaby.
„Schlüsselbeinbruch. Beraubt wurde sie nicht, obwohl sie eine goldene Uhr trug
und sündhaft teure Ohrringe. Aber ihrem armen Pferd — einem sanften Wallach —
haben die Verbrecher die schön gestriegelte Mähne abgeschnitten und den
buschigen Schweif.“
    „Total irre!“, kommentierte Tim
entsetzt. „Haben sie das Pferdehaar mitgenommen?“
    „Keine Ahnung.“
    Karl sagte: „Nein! Kein Stück.
Es ging ihnen wohl nur darum, den Fuchs-Wallach zu verunstalten.“
    Karl ist bestens informiert,
dachte Tim. Woher weiß er’s — wenn nicht aus der Zeitung? Von Herrn Glockner
wohl nicht. Na, wir werden es gleich hören.
    Inzwischen berichtete Gaby von
dem Rollstuhlfahrer, einem 20-jährigen Unfallopfer. Den hatten B & C
spätabends im Park aus seinem Transportgerät gezerrt und in den feuchten Schnee
gelegt, wo er nach Ablauf von drei Minuten um Hilfe rufen durfte. Den Rollstuhl
warfen die beiden in einen vereisten Fluss, wobei natürlich Sachschaden
entstand.
    Unfasslich!, dachte Tim. So was
von herzlos!
    „Die weiteren Verbrechen“,
sagte Gaby, „waren nach meiner Erinnerung: zwei Banküberfälle mit mittlerer
Beute — wozu ich nachher noch was
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