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Frische Spur nach 70 Jahren

Frische Spur nach 70 Jahren

Titel: Frische Spur nach 70 Jahren
Autoren: Stefan Wolf
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eine Bewegung
hinter sich und sah im spiegelnden Glas zwei Personen, die auch hinein wollten
und sich jetzt anschlossen: ein Mann und eine Frau. Der Mann war einen Kopf
größer als seine Begleiterin. Aber das interessierte Tims Freund nicht, denn er
konzentrierte sich auf Geheimzahl und Aufgabe.
    Der Automat stand tür-fern in
der Ecke, gleich hinter dem Konto-Ausdrucker. Hier war’s schattig und kühl. Die
Geräusche der zum Platzen gefüllten Innenstadt drangen nur gedämpft herein.
    Klößchen verfuhr nach
Vorschrift, stellte fest, dass die Bedienung wirklich idiotensicher ist,
grinste den Bildschirm an und entnahm die zehn Hunderter sowie die Scheckkarte.
    Dann verging ihm die
Heiterkeit.
    „Los, Claus!“, sagte die Frau.
„Mach!“
    Sie war nahe der Tür geblieben
und hatte eine piepsige Stimme.
    Ein langer Schritt brachte den
Mann neben Klößchen, bevor der auch nur den Kopf wenden konnte.
    Den hielt er dann ganz ruhig,
widerstand sogar dem Impuls, ihn zwischen die Schultern zu ziehen.
    Denn eine Pistolenmündung wurde
Klößchen gegen die Schläfe gepresst. Es musste eine Pistole sein. Die Mündung
fühlte sich kalt an und metallisch. Ein Hauch von Pulverschmauch wehte an
Klößchens Nase vorbei.
    „Geld her, du Doppelmops!“

    Die Stimme klang wie eine
Halsentzündung auf ihrem Höhepunkt.
    Geld?, überlegte Klößchen. Für
einen Moment war sein Gehirn so leer wie bei einer mündlichen Prüfung. Aber die
zehn Hunderter in der Linken wogen als wäre der ganze Betrag Münzgeld und
selbst die EC-Karte in der anderen Hand überforderte fast seine Kraft.
    War eine Sekunde vergangen —
oder eine Ewigkeit?
    „Mei... meinen Sie mich?“
    Eine gute Frage war das
offenbar nicht. Denn er wurde hart mit der Waffe gestoßen. Nur der Stoff der
Basecap verhinderte eine Schramme. Gleichzeitig riss ihm der Kerl die Scheine
aus der Hand.
    Klößchen schielte nach rechts.
    Turmhoch ragte der Räuber über
ihm auf — und sah erschreckend aus, hatte nämlich ein giftgrünes Gesicht.
    Nein, nicht die Haut war moos-
bzw. wasserleichen-farbig, sondern die grüne Strumpfmaske, die er sich über den
Kopf gezerrt hatte. Mundschlitz, Augenschlitze, oben einen albernen Mehrfachknoten.
Offenbar handelte es sich um einen beinlangen Damenstrumpf aus dünner Wolle.
Einige Fussel hingen am Mundschlitz.
    „Claus!“, piepste die Frau.
„Rückzug! Da kommt wer.“
    Sie trug die gleiche grüne
Maske, hatte aber oben nur einen Knoten geschlungen, weshalb die halbe
Strumpfbeinlänge wie ein Pferdeschwanz auf den Rücken hing.
    Der Mann versetzte Klößchen
einen Stoß, was eine unnötige Rohheit war, knüllte einen Hunderter zusammen,
warf ihn auf den Boden, rannte zur Tür, verstaute dabei Pistole und Geld, zog
sich die Maske vom Kopf und — hinkte, wie Klößchen sah, hinkte, nein, stakste
mit offensichtlich steifem Knie.
    Auch die Frau hatte sich
demaskiert und öffnete jetzt die Tür. Das grelle Licht, das dort herein
strömte, verwischte das Bild der beiden. Außerdem sah Klößchen sie nur von
hinten. Schon waren sie weg und die Tür schloss sich.
    Doch Klößchen hatte
mitgekriegt: Sie trugen Partner-Look, nämlich schwarzlederne Motorrad-Anzüge
und entsprechende Stiefel.
    Hm!
    Das Frostschutzmittel in seinen
Adern hatte sich wieder in Blut verwandelt. Er wetzte los, riss die Eingangstür
auf und stolperte an einer älteren Dame vorbei, die gerade herein wollte.
    „Verzeihung!“
    Im Freien blieb er stehen.
    Hinter dem Jaguar seiner Mutter
fuhr eines der Motorräder ab — mit dem Räuber-Pärchen. Sie trugen schwarze
Schutzhelme. Parkende Wagen verdeckten das Kennzeichen. Die schwere Maschine —
eine 1000er — schoss davon.
    Klößchens Mutter blickte her
und war offenbar verzweifelt über die Bummmelei ihres Sohnes. Das
Beifahrerfenster stand offen. Erna beugte sich nach rechts.
    „Was ist los?“, rief sie. „Hast
du die Nummer vergessen?“
    Bevor Klößchen antworten
konnte, trat ein Mann — ihm gehörte der Opel — zum Jaguar und erklärte, dass er
abfahren wolle.
    Da sein Wagen blockiert wurde,
musste Klößchens Mutter ein Stück vorfahren, war also zunächst beschäftigt.
    Hilft alles nichts!, dachte
Klößchen. Hätte schlimmer kommen können. Hätte ich nicht cool kühles Blut
bewahrt, wäre ich jetzt tot. Aber ich lebe, werde mir sofort ein Stück Schoko reinziehen
und die Karte habe ich ja noch.
    Er ging zum Automaten zurück,
hob den zerknüllten Hunderter auf, glättete ihn und beobachtete argwöhnisch
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