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Frisch getraut: Roman (German Edition)

Frisch getraut: Roman (German Edition)

Titel: Frisch getraut: Roman (German Edition)
Autoren: Rachel Gibson
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schnappte sich ihre Clutchbag von der Couch und raste mit einem Rascheln aus Tüll und Satin durch den Raum. Dabei hielt sie mit einer Hand das Kleid vorne zu und schnappte sich mit der anderen die Schuhe. Es gab Schlimmeres, als in fremden Hotelzimmern aufzuwachen. Und wenn sie erst mal zu Hause war, würde ihr auch noch was einfallen.
    »Willst du schon gehen, Claresta?«, fragte eine raue Männerstimme hinter ihr.
    Clare blieb wie angewurzelt vor der geschlossenen Tür stehen. Niemand außer ihrer Mutter nannte sie Claresta. Ihr Kopf fuhr herum, und ihre Handtasche und ein Schuh fielen mit einem dumpfen Knall zu Boden. Ein Träger ihres Kleids rutschte
an ihrem Arm herab, während ihr Blick auf einem weißen Handtuch verharrte, das um die untere Reihe eines harten Sixpacks aus Bauchmuskeln geschlungen war. Ein Wassertropfen glitt an der dunkelblonden Linie aus Haaren auf seinem braun gebrannten Bauch herab, und Clare hob den Blick zu den definierten Brustmuskeln unter straffer brauner Haut, auf der sich kurze nasse Locken ringelten. Um den Hals hatte er sich ein zweites Handtuch geschlungen, und sie ließ den Blick über sein stoppeliges Kinn zu einem Paar Lippen schweifen, die zu einem frechen Lächeln verzogen waren. Sie schluckte und schaute in tiefgrüne Augen mit dichten Wimpern. Sie kannte diese Augen.
    Er lehnte sich mit einer Schulter an den Rahmen der Badtür und verschränkte die Arme vor der breiten Brust. »Guten Morgen.«
    Seine Stimme klang anders als bei ihrer letzten Begegnung. Tiefer, da sie von einer Jungen- zu einer Männerstimme geworden war. Dieses Lächeln hatte sie über zwanzig Jahre nicht gesehen, doch auch das erkannte sie wieder. Es war dasselbe Lächeln, das er auf den Lippen gehabt hatte, wenn er sie zu irgendwelchen Wettkämpfen, Doktorspielen oder Mutproben überredete. Jedes dieser Spiele hatte unweigerlich damit geendet, dass sie etwas verlor. Ihr Geld. Ihre Würde. Ihre Kleider. Und manchmal alles zusammen.
    Dabei hatte er sie gar nicht lange überreden müssen. Sie hatte schon immer eine Schwäche für dieses Lächeln gehabt. Und für ihn. Doch sie war jetzt kein einsames kleines Mädchen mehr, das für schmeichelnde Jungs mit frechem Lächeln empfänglich war, die jeden Sommer in ihr Leben schneiten und ihr Herz zum Schmelzen brachten. »Sebastian Vaughan.«
    In seinen Augenwinkeln erschienen Lachfältchen. »Du bist groß geworden, seit ich dich das letzte Mal nackt gesehen habe.«
    Sie hielt ihr Kleid mit einer Hand zusammen, drehte sich zu ihm und lehnte sich mit dem Rücken an die Tür. In der Lücke des offenen Reißverschlusses spürte sie das kühle Holz auf ihrer Haut. Sie strich sich ihr zerzaustes dunkelbraunes Haar hinters Ohr und bemühte sich um ein Lächeln, nach dem sie ziemlich tief graben musste, bis in den Teil von ihr, der die guten Manieren verinnerlicht hatte. Der Teil, der sie zwang, zu Dinnerpartys Geschenke mitzubringen und eine Dankeskarte abzuschicken, sobald sie wieder zu Hause war. Der Teil, der für jeden ein freundliches Wort oder einen wohlwollenden Gedanken übrig hatte. »Wie geht’s dir?«
    »Gut.«
    »Toll.« Sie leckte sich die trockenen Lippen. »Vermutlich besuchst du deinen Vater?« Wurde auch Zeit.
    Er stieß sich vom Türrahmen ab und griff nach einem Ende des Handtuchs um seinen Hals. »Das haben wir schon gestern Nacht abgehakt«, sagte er und rubbelte sich die Haare an der Seite trocken. Im Kindesalter war sein Haar hell wie die Sonne gewesen. Jetzt war es dunkler.
    Offensichtlich hatten sie so einiges abgehakt, woran sie sich nicht erinnerte. Dinge, an die sie nicht mal denken wollte. »Ich hab das mit deiner Mutter gehört. Mein Beileid.«
    »Auch das haben wir abgehakt.« Er ließ die Hand sinken.
    Ach so . »Was führt dich hierher?« Als sie das letzte Mal von Sebastian gehört hatte, war er bei den Marines im Irak, in Afghanistan oder Gott weiß wo »eingebettet« gewesen. Bei ihrer letzten Begegnung war er elf oder zwölf gewesen.
    »Auch das.« Er runzelte die Stirn und betrachtete sie genauer. »Du erinnerst dich nicht an gestern Nacht, oder?«
    Sie zuckte mit einer nackten Schulter.
    »Ich wusste zwar, dass du stinkbesoffen warst, aber ich hätte nicht gedacht, dass du sogar einen Filmriss hattest.«
    Es war typisch für ihn, sie darauf hinzuweisen. Statt Bauchmuskeln hätte er sich lieber bessere Manieren aneignen sollen. »Den Ausdruck hab ich sowieso nie ganz verstanden, aber ›stinkbesoffen‹ war ich bestimmt
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