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Friesenschnee

Titel: Friesenschnee
Autoren: Gmeiner-Verlag
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erhob sich Stuhr und verließ nachdenklich die Badeanstalt. Fingerloos und Bester waren gemeinsam gegangen, Hansen hatte sich schwankend auf den Weg zu seiner Frau gemacht, Olli würde sich mit hoher Wahrscheinlichkeit bald wieder im Hamburger Nachtleben herumtreiben, und Trutz war sicherlich längst auf dem Weg zu Jenny Muschelfang.
    Stuhr wollte nicht an Ohmsens verlassener Villa vorbeigehen, und so schlug er den Weg zum Dampferanleger Bellevue ein. Immer mehr schälte sich jetzt die prachtvolle alte Villa aus den Bäumen heraus, die die Privatschule Düsternbrook beherbergte. Stuhr überquerte das Hindenburgufer und blieb vor dem Schulhof stehen.
    Von den Erzählungen seiner Schülerliebe wusste er, dass die 5. Klasse im obersten Stockwerk unter dem Dach lag. Im Laufe des Schullebens stieg man hier nicht auf, sondern sank etagenweise immer tiefer. Gedankenverloren blickte Stuhr zu den obersten Fenstern der Villa. Dort musste Angelikas Tochter die Woche über die Schulbank drücken.
    Hatte Angelika die Wahrheit gesagt? Laura war der Name der Tochter, er fiel ihm wieder ein. Sollte er wirklich ihr leiblicher Vater sein? Was würde das Mädchen dazu sagen?
    Gut, mit Angelika könnte er sich vielleicht arrangieren, aber würde Jenny jemals eine Tochter von ihm akzeptieren? Sie wäre davon bestimmt nicht besonders erbaut, aber die Frage stellte sich nun ja auch nicht mehr.
    Nachdenklich drehte er sich von der Villa weg und machte sich zurück auf den Weg durch das Düsternbrooker Gehölz. Vermutlich war das auch Ohmsens letzter Gang in Kiel vor seiner Flucht nach Föhr gewesen.
    Ertrinken soll nicht so schlimm sein, sagte man. Stuhr haderte dagegen mit seinem Schicksal, alles Elend der Welt am lebendigen Leibe verspüren zu müssen.
    Irgendwann hatte er jedoch das Gehölz durchquert und sich über den Sternwartenweg auf die Esmarchstraße begeben, an deren Ende ihn wie ein alter Bekannter der vertraute Kieler Wasserturm begrüßte.
    Dort hatte mit Jenny alles begonnen, und danach wurde sein ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Jenny. Sie war der Anfang und das Ende für ihn. Warum konnte sie nicht als Engel über dem Turm aufsteigen und ihn mit warmen Händen empfangen?
    Dieses Mal schien Stuhr wirklich alles vermasselt zu haben.
     
     
    E N D E
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