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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere
Autoren: Stephen King
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wenn du es nicht verhinderst.
    Er stand unentschlossen am Ende der Auffahrt, trat von einem Bein aufs andere, verlagerte immer wieder nervös sein Gewicht.
    Du machst dir vor Angst in die Hose, Steve, stimmt's?
    Ja, es stimmte, aus keinem ersichtlichen Grund. Aber da war auch eine gewisse -- eine gewisse
    (Anziehung)
    ja, eine gewisse Anziehung, die von diesem Pfad ausging, diesem Pfad, der den Hügel hinaufführte und vielleicht in die Wälder -- irgendwohin mußte dieser Pfad ja führen, oder? Natürlich führte er irgendwohin. Alle Pfade führen irgendwohin.
    Louis. Vergiß Louis nicht, du Idiot! Um Louis' willen bist du schließlich hergekommen, weißt du das nicht mehr? Du bist nicht hergekommen, um diese gottverdammten Wälder zu erkunden.
    »Was hast du da, Randy?« rief der Möchtegern-Held. Seine Stimme, immer noch schrill und irgendwie optimistisch, trug weit.
    Randys Antwort ging fast im anschwellenden Heulen der Feuerwehrsirenen unter. »Tote Katze.«
    »Verbrannt?«
    »Sieht nicht so aus«, erwiderte Randy. »Sieht einfach tot aus.«
    Und als hätte der Wortwechsel jenseits der Straße etwas damit zu tun, kehrten Steves Gedanken unerbittlich zu dem zurück, was er gesehen hatte oder gesehen zu haben glaubte: es war Louis.
    Er setzte sich in Bewegung, wanderte den Pfad zu den Wäldern hinauf, ließ das Feuer hinter sich. Als er den Waldrand erreicht hatte, war er schweißgebadet, und der Schatten war kühl und angenehm. Um ihn war der würzige Duft von Kiefern und Fichten, Rinde und Saft.
    Sobald er in den Wäldern war, fiel er in Laufschritt, ohne zu wissen, warum er lief, ohne zu wissen, warum sein Herz doppelt so schnell schlug wie gewöhnlich. Sein Atem ging pfeifend. Als er bergab ging, konnte er den Laufschritt zu einem Spurt steigern -- der Pfad war erstaunlich eben --, aber den Eingang zum Tierfriedhof erreichte er nur in beschleunigtem Gehen.
    Seine Augen nahmen die in Kreisen angelegten Gräber kaum war -- die flachgeklopften Blechtafeln, die Stücke von Kistenholz und Schiefer. Seine Augen hafteten an dem bizarren Anblick am entgegengesetzten Ende der Lichtung. Sie hafteten auf Louis, der einen Windbruch überkletterte, wie es schien, ohne sich um die Gesetze der Schwerkraft zu kümmern. Schritt für Schritt erstieg er den steilen Haufen, den Blick starr geradeaus gerichtet wie ein Mann, der sich in Trance befindet oder schlafwandelt. In seinen Armen lag das weiße Ding, das Steve von der Auffahrt aus bemerkt hatte. Aus der Nähe gesehen, war seine Form eindeutig -- es war ein Mensch. Ein Fuß hing heraus, bekleidet mit einem schwarzen Schuh mit flachem Absatz. Und Steve wußte mit plötzlicher, niederschmetternder Gewißheit, daß Louis Rachels Leichnam in den Armen trug.
    Louis' Haar war weiß geworden.
    »Louis!« schrie Steve.
    Louis zögerte nicht, hielt nicht inne. Er erreichte den Gipfel des Windbruchs und begann an der anderen Seite hinabzusteigen.
    Er wird stürzen, schoß es Steve durch den Kopf. Bisher hat er verdammtes, unglaubliches Glück gehabt, aber gleich wird er stürzen, und wenn er sich dabei nichts anderes bricht als ein Bein...
    Aber Louis stürzte nicht. Er bewältigte auch die andere Seite des Totholzes und war für kurze Zeit aus Steves Blickfeld verschwunden; dann tauchte er auf dem Pfad in die Wälder wieder auf.
    »Louis!« schrie Steve wieder.
    Diesmal blieb Louis stehen und drehte sich um.
    Was Steve sah, verschlug ihm den Atem. Louis war nicht nur weißhaarig, sein Gesicht war das eines uralten Mannes.
    Anfangs war in Louis' Gesicht nicht eine Spur von Erkennen. Dann dämmerte es ihm so allmählich, als würde ein Widerstandsregler in seinem Hirn gedreht. Um seinen Mund zuckte es. Nach einer Weile begriff Steve, daß Louis zu lächeln versuchte.
    »Steve«, sagte er mit brüchiger, bebender Stimme. »Hallo, Steve. Ich will sie begraben. Muß es wohl mit bloßen Händen tun. Kann bis zum Abend dauern. Der Boden da oben ist sehr steinig. Sie wollen mir wohl nicht ein bißchen helfen?«
    Steve öffnete den Mund, aber es kamen keine Worte heraus. Trotz seiner Überraschung, trotz seines Entsetzens wollte er Louis helfen. In diesen Wäldern schien es irgendwie völlig in Ordnung -- völlig natürlich.
    »Louis«, krächzte er schließlich, »was ist passiert? Um Himmels willen, was ist passiert! War sie -- war sie in dem brennenden Haus?«
    »Bei Gage habe ich zu lange gewartet«, sagte Louis. »Irgendetwas ist in ihn geschlüpft, weil ich zu lange gewartet habe. Aber
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