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Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)

Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)

Titel: Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)
Autoren: Harald Martenstein
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Mutter den Rest von ihrem Bienenstich vorbei.
    Ben hätte es gut gefunden, wenn das Baby am 3. Januar kommt, dann hätten sie immer gemeinsam feiern können. Aber am 3. Januar tat sich auch nichts. Billy war inzwischen so dick, dass sie es kaum noch zum Klo schaffte, außerdem waren ihre Beine schwach vom langen Liegen. Doktor Winter beschloss, Billy eine Spritze zu geben, die ein bisschen Schwung in die Sache bringt. Natürlich kam die Spritze erst am Tag nach Bens Geburtstag zum Einsatz. Doktor Winter ließ keine Gelegenheit aus, ihnen zu zeigen, dass ihre Wünsche ihm scheißegal waren.
    Die Spritze bewirkte gar nichts. Das wurde jetzt langsam unheimlich. Zwei Wochen über der Zeit, und noch eine Spritze, und wieder nichts, und dann die Fahrt ins Krankenhaus, wo sie einen Schlauch an Billy anschlossen, damit eine Flüssigkeit in Billy reinlaufen konnte, während Ben ihr ganz lieb die Hand hielt. Am übernächsten Tag sagte der Krankenhausarzt: »So was habe ich noch nicht erlebt.«
    Billy wusste von einer Freundin, die mal Krebs hatte, dass Ärzte das oft sagen. Sobald etwas ein bisschen neben der Spur liegt, sagen sie: »Das habe ich noch nicht erlebt.« Ärzte erleben anscheinend nicht viel. Also machten sie jetzt doch den Kaiserschnitt. Warum nicht gleich so.
    Bevor sie in den OP geschoben wurde, dachte Billy über den Namen des Babys nach. Da waren sie sich immer noch nicht einig. Ben wollte Josef, Billy war für Timon Telly. Timon wie dieses süße Tier aus König der Löwen , Telly wie Telly Savalas, was so ein alter Fernsehstar ist und einfach gut klingt. Joe wäre vielleicht ein ganz guter Kompromiss, dachte Billy, Joe wie Joe DiMaggio, der ja bekanntlich der einzige halbwegs okaye Ehemann von Marilyn Monroe war. Dann wirkte die Narkose.
    Als sie aufwachte, stand das halbe Krankenhaus um sie herum. Wo war das Baby? Das Baby war nicht da. Doktor Winter stand neben Ben. »Wir haben so etwas noch nicht erlebt«, sagte er. »Brigitte, du bist ein Novum in der Medizingeschichte.«
    Der Kaiserschnitt war fehlgeschlagen. Die waren mit ihrem Skalpell nicht durch die Bauchdecke durchgekommen. Da war verhärtetes Gewebe. Eine Art Narbengewebe, aber so ultrahartes Narbengewebe, wie die Ärzte es noch nie erlebt hatten. Es sah aus, als ob im Bauch eine Betondecke errichtet worden wäre, von wem auch immer. Man konnte da schlecht den Presslufthammer nehmen, wegen des Babys. Man konnte auch schlecht die halbe Bauchdecke wegschneiden. Doktor Winter und der Krankenhausarzt hielten lange Reden und verwendeten lateinische Ausdrücke. Der Doktor deutete an, dass diese Komplikation vielleicht mit Billys Unterbewusstsein zusammen hängen könnte. Sie sei so sehr auf einen bestimmten Termin festgelegt gewesen … und so weiter. Nichts als Bullshit. Der Krankenhausarzt meinte, man könne jetzt nur noch abwarten. Spritzen geben und abwarten, bis die Natur ihren Lauf nimmt. Das tue die Natur letztlich immer.
    Billy sagte: »Ich will nach Hause, verdammte Scheiße.«
    Den Rest der Geschichte kennt jeder. Billy ist seit zehn Jahren mit ihrem Bauch unterwegs. Jedes Jahr an Weihnachten tritt sie mit Ben in allen möglichen Kirchen, in Einkaufszentren und Fernsehshows als die moderne Heilige Familie auf. Außerhalb der Saison arbeitet Ben als Tischler, weil das von der Story her passt. Die Leute sind ganz wild nach seinem Zeug, obwohl er kein besonders guter Tischler ist. Aber sie verdienen eigentlich genug mit den Auftritten. Billy trägt ein Marienkostüm, antik, Ben sitzt neben ihr und schaut lieb. Manchmal ist sogar Doktor Winter dabei, der sich das natürlich bezahlen lässt, und wird vom Moderator interviewt. Doktor Winter kann wegen seines Studiums besser reden als Billy.
    Er sagt dann, dass dieses Kind am Heiligen Abend geboren werden sollte, aber es wollte nicht kommen, weil es keinen Weltfrieden gibt. Erst, wenn der Weltfrieden verwirklicht ist, kommt das Baby heraus.
    Es ist das erste amtlich beglaubigte und wissenschaftlich bestätigte Weihnachtswunder seit dem Mittelalter. Sie haben auch eine Tournee durch die USA gemacht, in einem Spezialfahrzeug, das extra für Billys Bedürfnisse eingerichtet wurde, breite Tür, alles barrierefrei. In Israel sagen zwei oder drei Rabbiner, das Baby sei vielleicht der Messias. Andere Rabbiner bestreiten das. Der Messias würde unmöglich ausgerechnet in Deutschland geboren werden, so gestört könne Gott nicht sein. Eine dritte Fraktion vertritt die Ansicht, dass Gott sich um Geographie
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